Wir haben uns auf dem Mittellandkanal Richtung Osten vorgearbeitet.
Schön ist die Strecke durch’s weite Land, oft gibt der Kanal, höher als das Umland gelegen, den Blick frei über Felder, Wälder und die Hänge des Teutoburger Waldes und des Weserberglandes.
Ein kleiner Höhenpunkt auf der Strecke ist die Liegestelle Minden, direkt gegenüber dem Abzweig zur Schachtschleuse, darum mit weit schweifendem Blick auf eine sehr weite Wasserfläche. Drei Boote passen hin, und wir hatten wieder mal Glück, der schönste Platz davon war noch frei.
Wir haben tatsächlich schon seit Datteln, somit zehn Tagen, keinen Hafen mehr besucht, der Kanal ist reichlich ausgestattet mit freien Liegestellen, und in der Kombination mit einigen Fahrstunden und ’ner Generatorstunde zum Kochen sind wir autark. Und schöner ist das freie Liegen allemal – wir schlafen in unserem Sprinter ja auch lieber irgendwo als auf so einem eingehegten Wohnmobilstellplatz. Die gelegentlich auch in der Nacht vorbei fahrenden Schiffe wecken uns in der Regel nicht, wenn doch, wiegt einen das Plätschern der Wellen gegen die Bordwand (das für uns im letzten Jahr zunächst noch sehr gewöhnungsbedürftig war), das leichte Schaukeln und das Gnarzen der Festmachtaue schnell wieder in das Reiche der Träume.
Das Fahren selbst ist eher langweilig im Vergeich zu dem, was wir sonst so erlebt haben. Aber auch das tut mal ganz gut. Und das gute Wetter erlaubt uns endlich, mal wieder auf dem Oberdeck mit der Außensteuerung zu fahren.
Drei kurze Momente waren aufregend:
- Ein 180m-Schubverband fährt vor uns mit 8,5km/h. Normalerweise überholen wir nicht, sondern bleiben dann eher mit 1000 U/min mit 9,5 oder 10km/h ein paar Stunden hinter so einem langsamen, tief beladenen Berufler. Aber 8,5, nee, das war uns dann doch zu langsam. Wir haben eine mehrere Kilometer lange Strecke geradeaus vor uns, klären mit ihm per Funk, dass er uns vorbei lässt, müssen dann doch noch ein entgegenkommendes Sportboot herankommen lassen, aber dann… Mit 12km/h sind wir schnell neben ihm. Doch da die Schiffe im schmalen Kanal ja immer mächig Wasser nach hinter ziehen, also neben sich eine starke Gegenströmung verursachen, bleibt es natürlich nicht bei den 12km/h. Als wir so etwa mittig neben ihm sind, schaffen wir gerade noch 9,5. Da ging das Überholmanöver im Schneckentempo voran, unser Überholweg betrug am Ende fast 1,5km. Waren wir froh, als wir seinen Bug neben uns hatten und endlich wieder schneller wurden!
- Am Ende der Kaimauer des Nordhafens Hannover verengt sich der Kanal wieder auf sein normales Maß und geht unter einer Brücke in eine Rechtskurve über. Wir hatten im AIS gesehen, dass jemand entgegen kommt. Aber dass er den Bug komplett auf die für ihn linken Seite, also unsere Seite des Kanals geschoben hatte, hatten wir nicht erkennen können. Der Sender sitzt ja hinten am Steuerhaus. Schlimmer aber: Er schiebt ihn immer weiter auf uns zu. Wir gehen auf voll Rückwärts und geben ein ordentliches Hupsignal ab – erst da reagiert er und vergrößert im letzten Moment den Abstand zu unserem Ufer wieder ein wenig. Hat der uns nicht gesehen? Nee – hat er nicht. Konnte er auch gar nicht. Der Verband bestand aus 3 60m-Schuten und einem Schubschiff („Schub 2420“) dahinter. Dummerweise hatte er auf der Schute direkt vor sich drei Container so aufgetürmt, dass er keinerlei Sicht nach vorne hatte, nicht einmal schräg voraus. Normalerweise haben die langen Schiffe, wenn sie hoch beladen sind, zumindestens eine Kamera vorn. Aber die drei ollen Schuten? Keine Ahnung. Wir haben nachher in Marinetraffic mal geschaut, wie der so fährt. Bei unserer Begegnung war die Erfassung leider nicht genau genug. Ein paar Kilometer weiter aber schon. Und so ist er da gefahren (Er fährt von rechts nach links, gehört also auf die nördliche Fahrwasserseite):
So war denn auch mein, bisher zu 100% zutreffender, Glaubenssatz für die Kanalstrecken widerlegt: Auch wenn es oft nicht so aussieht: Die machen immer genug Platz.
- Schließlich haben wir heute noch die Schleuse Anderten zu Berg genommen, die erste seit Münster. Die ist riesig, 220m lang, sehr hoch (15m), wir lagen hinter zwei großen Berufsschiffen, das Wasser strömt an den Seitenwänden nach oben, und es gibt keine Schwimmpoller. Das war ganz schön harte Arbeit. Da ich die Schleuse schon kannte, hatte ich die Maschine laufen lassen – da kann man dann auch immer mal mit dem Motor oder dem Bugstrahler nachhelfen. wenn zu viel Bewegung ins Wasser kommt. Da Maria immer die untere Bootsklampe belegt und ich die auf dem Oberdeck, kann ich das zugleich mit dem Festhalten des Taues auf der Klampe über die Außensteuerung kontrollieren.
Da die Kanalstrecke im weiteren Verlauf bis ca. 16:30 wegen einer Sonderverladung gesperrt ist, und danach erst mal seehr viel Schiffsverkehr aus der Auflösung des Staues zu erwarten ist, und wir sowieso gut in der Zeit liegen, bleiben wir im Oberwasser der Schleuse Anderten für heute liegen – morgen dann noch eine Tagesetappe bis zum Elbeseitenkanal. Den Funk lassen wir noch eine Weile an und hören zu, wie der Schleusenwärter unermüdlich einem nach dem anderen erklärt, warum er nach der Schleusung nicht weiterfahren darf. Es kommen zwar noch zwei weitere Liegestellen vor der Sperrung, doch die sind alle voll, nur hier hinter der Schleuse ist noch Platz. Um 16.39 dann die Durchsage über die Lautsprecheranlage: „Die Strecke ist wieder frei, Ihr könnt alle wieder losfahren Richtung Osten“. Die Schiffe fahren dann nicht stur in der Reihenfolge des Eintreffens, sondern sprechen über Kanal 10 ihre Geschwindigkeiten ab, der schnellste startet zuerst. Los geht’s!