Wir sind nicht bis Dietz gefahren. Sondern nur zunächst bis Bad Ems, dann haben wir uns noch kurz entschlossen eine Schleuse weiter zu Berg nach Dausenau begeben. Das war dann Lahn genug… Irgendwie hatten wir, nachdem wir gerade die Weite von Mosel und Rhein gewonnen hatten, vielleicht einfach keine Lust mehr auf eng und langsam. Auch begleitet uns eine gewisse Ungeduld, den Rhein hinter uns zu bringen, so eine gewisse Grundanspannung ist fortwährend da.
Auf der Lahn haben wir ein sehr unangenehmes Schleusenerlebnis – wir fahren ein, liegen noch nicht ganz an der Mauer, da geht knapp hinter uns schon das Tor zu. Maria legt mit unserer aus Frankreich bewährten Gabelstange das Tau oben auf den Poller, da schießt schon vorn das Wasser ein. Maria hält das noch lose Ende in der Hand und reicht mir die Auflegestange nach hinten, denn auch dort habe ich keine Alternative. Wandnischenpoller gibt es nur zwei hinten und zwei vorne, in unserer Position unerreichbar und auch von den Höhen her nicht besonders sinnvoll eingebaut. Während das Heck im Gestrudel schon langsam zur anderen Wand schwenkt, kriege ich das Tau noch um den – für mich unsichtbaren – Poller, das lose Ende wieder zu fassen, und kann uns wieder zur Wand hinziehen. Bis hierhin hat sich kein Schleusenbediener blicken lassen. Kameras gibt es auch keine. Normalerweise hat ein Schleusenbediener sich vor Schleusungsbeginn davon zu überzeuge, dass die Boote fest sind! Erst als wir oben sind und das Tor sich öffnet, sehen wir ihn in seinen Pausenraum zurückgehen, er wirft uns ein kurzes Nicken zu, das wohl ein Gruß sein soll. Als ich ihm zurufen, dass er doch beim nächsten Mal bitte genug Zeit geben möge zum Festmachen, bekomme ich nur eine wegwerfende Handbewegung und er verschwindet in seinem Häuschen. Als ich dann noch sehe, dass eigentlich in der Schleuse Taue zum Festmachen herunterhängen sollten, die aber alle oben auf der Kante liegen, gehe ich noch mal zu ihm hin und mache ihn darauf aufmerksam, dafür werde ich dann beschimpft, dass der Bootsführer für das ordnungsgemäße Festmachen verantwortlich sei und ich nun umgehend aus der Kammer zu verschwinden habe. Zu ist die Tür, ich komme nicht mehr dazu, ihn auch an seine Pflichten zu erinnern.
Die Lahn ist sicher ein schönes Flüsschen zum Bereisen, leidet allerdings unter den vielen Campingplätzen, die die Ufer mit Gartenzwergromantik säumen und unter der sie oft begleitenden Bundesstraße. Unsere mangelnde Begeisterung belegt, dass wir mittlerweile ganz schön verwöhnt sind, was idyllische schöne Umgebungen betrifft…
Die wenigen Anlegemöglichkeiten sind sehr spartanisch, bestehen nur aus zwei Stahlstangen in etwa 1m Abstand, ca. 1m vor dem Ufer, das ansonsten aus Steinschüttungen besteht. Man muss also anlegen, die Bootsmitte daran festmachen, und dann vorne und hinten ein Tau an Land schaffen, um es auf dortige Poller zu legen, gleichmäßig gestrafft, so dass das Boot parallel zum Ufer gehalten wird. Nicht schwierig bei der minimalen Strömung, aber umständlich und erstaunlich schlicht. Dafür kosten die Nächte an diesen Stegen auch nichts.
Wieder gut gemacht wurde das in Dausenau durch den abendlichen Besuch des Menschen, der sich mit einigen anderen ehrenamtlich um diese Stege bemüht und fragt, ob wir noch etwas bräuchten, auch Strom gäbe es bei Bedarf, und auch sonst noch ein wenig Zeit hat zum Plausch. Und natürlich durch das wirklich wunderschöne Örtchen Dausenau mit mittelalterlicher Waterfront und umlaufender Stadtmauer, die das Örtchen zu den dahinter liegenden Weinhängen weit in das Seitental hinein vor bösen Eindringlingen schützt, mit toll erhaltenen bzw. restaurierten Türmen und Stadttoren.
Trotzdem – genug der Lahn, am nächsten Tag fahren wir mit den uns besuchenden Eltern von Maria zurück bis Bad Ems, von dort am nächsten Tag durch vier Schleusen hindurch wieder auf den Rhein und von dort bis zum Hafen bei Koblenz, recht idyllisch in einem toten Seitenarm gelegen.
Um dann am nächsten Tag was Lustiges zu unternehmen: Eine Rheinfahrt!! Aber nicht mit Elodie, die darf im Hafen ausruhen, sondern mit der „Goethe“, dem Raddampfer der Köln-Düsseldorfer, rheinaufwärts bis Bacharach. So genießen wir die schönste Rheinetappe doch noch, und das ganz entspannt, ohne uns über Strömung und Verkehr Gedanken machen zu müssen. Dass der „detailgetreu restaurierte Raddampfer“ gar kein Dampfer mehr ist – geschenkt, an solche Verbraucherirreführungen ist man ja heute gewöhnt. Tatsächlich hat man ihm 2009 das „Herz“ herausgerissen und eine Dieselmaschine eingebaut, die die Schaufelräder hydraulisch antreibt. Und sogar ein Bugstrahlruder hat er eingebaut bekommen, mit einer eigenen Dieselmaschine. Aber immerhin fährt er noch mittels der Schaufelräder – interessant, denn damit ist er viel manövrierfähiger als heutige Schiffe, kann z.B. auf der Stelle drehen, bei gegenläufigem rotieren der Räder, und kann rückwärts fast genau so schnell fahren wie vorwärts. Das erlaubt ihm als wohl einzigem Schiff auf dem Rhein, bei Talfahrt mit der Strömung anzulegen, alle anderen müssen an jedem Steg wenden, denn gegen die 8km/h Strömung kann keiner anbremsen und schon gar nicht manövrieren.
Damit den Betrug keiner merkt, scheint es immer noch einen kleinen Dampfboiler zu geben – denn die akustischen Signale kommen immer noch aus einer kräftige Wölkchen pustenden Dampfpfeife mit echtem Missisippisound!
In Bacharach gehen wir natürlich auch zur Burg hoch und freuen uns, dass sie eine Jugendherberge ist, deren Innenhof sogar für Besucher offen ist, mit Cafébetrieb. Und auch in das Turmgewölbe mit der klassischen Jugendherbergstischtennisplatte kann man hinein. Die Ausblicke von der Burg über die Rheinschleifen sind atemberaubend.
Donnerstag dann ging es auf die erste längere Rheinetappe zu Tal. Unser Ziel war Bad Honnef, wo wir „wahrscheinlich“ einen freien Liegeplatz vorfinden würden, so der Hafenmeister am Telefon. Eine Reservierung gebe es aber nicht. Nun ja, wir starten früh und kommen gegen 13:00 dort an und ja, genau ein Stegplatz zeigt eine grüne Tafel – das bedeutet, dass der Platz für Gäste verfügbar ist. Später sollen wir allerdings erfahren, dass auch zwei weitere Plätze frei gewesen wären, man hatte nur vergessen, die Tafel von rot auf grün zu klappen…
Weitgehend ging unsere Rheinfahrt entspannt. Zwei Mal kam ein Schiff mit blauer Tafel am rechten Ufer zu Berg und eines ohne am linken. Aber auch das war klar zu verstehen und in der Mitte zwischen beiden war reichlich Platz. Wir haben aber auch, wie im Boote-Forum mehrmals empfohlen, uns einfach hinter ein mit 20,5km/h fahrendes Frachtschiff gesetzt und alles nachgemacht. Ohne das hätten wir sicher in einigen Situationen länger gebraucht, um die Verkehrssituation zu durchschauen.
Dennoch gab es eine Schrecksekunde: von hinten kam ein Gleiter sehr schnell herangeflogen, um dann in nur 30m Abstand an uns vorbeizurasen, mit einer Riesenwelle, die uns durch die hohe Geschwindigkeit so richtig hin und her warf. Und das war nicht etwa ein besonders rücksichtsloser Freizeitkapitän, nein, es war die Wasser“schutz“polizei!! Bisher kannten wir die nur erstens rücksichtsvoll und zweitens freundlich grüßend – nicht so auf dem Rhein.
Wir hatten auf der ganzen Etappe Glück, dass kein schnelleres Schiff von hinten aufkam, denn die Frage, wo die Berufsschiffe auf dem Rhein langsamere Sportboote überholen wollen, konnte uns bis heute niemand schlüssig beantworten. Wollen sie, dass wir ganz außen an den Fahrwasserrand/Tonnenstrich fahren, so dass sie mehr zur Mitte ausweichen müssen, oder wollen sie, dass wir uns in der Mitte halten, so dass sie bei Rechtsverkehr rechts, bei Links noch weiter links vorbei können? Hier sagt jeder Befragte das Gegenteil vom vorigen. Aber am besten immer im Funk absprechen, da sind sich alle einig. Und so machen das ja auch die Berufler untereinander, aber leider gerne mal auf holländisch oder polnisch.
Wie gesagt, bis Bad Honnef alles gut – aber dann: direkt vor der Hafeneinfahrt war es dann so weit: Ein großes Kreuzfahrtschiff hatte uns mit 26km/h eingeholt, die „Symphonie“. Zuvor drei Entgegenkommer nebeneinander und gleich nach denen die Autofähre quer, neben der Hafeneinfahrt dann noch ein Entgegenkommer, dort teilt sich der Rhein in drei Arme, so ist das Fahrwasser hier schmäler als sonst. Und leider und ärgerlicherweise: Ich hätte gern kurz über Funk mit dem Kreuzfahrer besprochen, dass wir in den Hafen wollen und erst mal gegen den Strom wenden müssen und gehört, zu welchem Ufer hin wir ihn vorher durchlassen sollen, aber die interessieren sich wohl nicht für Absprachen mit Sportbooten (Am Funk lag’s nicht, ich hatte fünf Minuten zuvor die Fähre gefragt, ob wir vor oder hinter ihr durchfahren sollen, und klare freundliche Antwort bekommen). Ich habe dann einfach trotzdem durchgesagt, was wir vorhaben und war sehr erleichtert, als die Symphonie, schon recht nah hinter uns, zum linken Ufer auswich. Ich möchte nicht wissen, wie das abgelaufen wäre, wenn die drei Entgegenkommer erst jetzt angekommen wären.
Im Hafen finden wir dann am Ende, wie oben schon geschrieben, die eine freie Box mit grüner Tafel und fahren dort ein. Und erleben wieder etwas zum ersten Mal: Die Box hat zwei Plätze zwischen den Fingerstegen, auf dem linken Platz liegt ein Boot, der Skipper ist damit beschäftigt, das Boot mit dem Schlauch zu reinigen. Während wir nun also 40cm neben ihm unser Boot in die Box schieben, würdigt er uns keinen Blickes, geschweige denn nähme er mal eine Leine an oder würde mir zeigen, wie viel Platz ich noch vorn unter dem Bug bis zum Steg habe. Da fühlt man sich doch gleich willkommen! Immerhin erklärt er uns später auf Nachfrage, wie wir durch die Tür zum Hafengelände kommen.
Nun liegen wir erst mal zufrieden im Hafen, Sonntag soll es dann weiter gehen bis Leverkusen. Wenn uns dieses verfluchte Wetter lässt. Es sind schon wieder kräftige Regenfälle und Gewitter angekündigt, dann fahre ich bestimmt nicht auf dem Rhein. Wir sind nun mal auf gute Sicht angewiesen, sonst erkennen wir die blauen Tafeln nicht rechtzeitig, ebensowenig wie die spärlichen Tonnen, die vor Buhnen warnen. Heute oder Samstag schon weiter fahren geht aber nicht, weil erst ab Sonntag im Hafen bei Leverkusen Platz ist – der uns aber immerhin fest zugesagt wird. Wir überlegen noch, morgen in Köln Porz oder Köln noch eine Nacht zu halten, dann wären es am Sonntag nur noch eineinhalb Stunden, in eine Regenpause zu legen, aber der Hafen Porz kann heute noch nicht sagen, ob er morgen Platz hat, und der Hafen in Köln antwortet gleich gar nicht am Telefon oder auf die Anfragemail.
Es scheint, dass das größere Problem am Rhein gar nicht die Strömung und Verkehrssituation ist, sondern das Desinteresse der wenigen Bootshäfen an durchreisenden Gästen. Auf dem Rhein geht es nun mal nicht ohne die Gewissheit, einen Platz für die nächste Etappe zu haben – Weder kann man notfalls ankern, noch gibt es sonstige Liegestellen, und der nächste Hafen ist wieder einige Stunden entfernt.
Wir beobachten hier noch eine Weile die Schiffe auf dem Rhein und die zugehörigen AIS-Informationen und sehen, dass auch Frachtschiffe durchaus mit 26km/h (laut AIS) zu Tal fahren und dabei, anders als die Kreuzfahrer, auch noch eine Mordswelle schieben. Es wird also aufregend bleiben, mehr dann nach dem ersten Überholmanöver eines solchen Frachters!
Heute wage ich eine kleine Radtour, und schon werde ich gleich in Königswinter wieder nassgeregnet. Als in einer kleinen, als Fahrradstraße ausgewiesenen Gasse dann ein fetter SUV-Fahrer, grauhaarig und offensichtlich gutsituiert, hinter mir mehrfach seinen Motor aufheulen lässt, schließlich hupt, dann aus dem Fenster wie irre schreit, er würde mich Wichser gleich über den Haufen fahren, gleich darauf sollte ich allerdings dann anhalten, er wolle mir die Fresse polieren (dafür scheint er genug Zeit zu haben), worauf eine Frau auf ihrem Balkon diesen wiederum anschreit, dass es eine Fahrradstraße sei, habe ich die Nase voll, drehe und fahre im strömenden Regen zum Boot zurück. Dabei benutze ich den Rheinuferweg, der in einem Abschnitt nur als Fußweg ausgewiesen ist, wo mir ein älterer entgegenkommender Herr mahnenden Fingers zuruft, dies sei aber kein Radweg (Der Weg ist eine ganze Autofahrspur breit!). Ach, übrigens feiert Bad Honnef dieses Wochenende als „Tage der Fahrradmobilität“.
Meine Stimmung ist komplett auf dem Tiefpunkt, ich fühle mich von Wetter und Hafenmangel gefangen in dieser ungastlichen Regend, will nur noch nach Hause in den Norden, und schmeiße mich erhitzt ins Bett. Nach einer halben Stunde und einer schönen warmen Dusche geht es wieder, den Rest des Frustes musste nun der geneigte Leser, durch keine schönen Bilder belohnt, aushalten. Pardon.