Immer Doubsaufwärts. Mal auf einem Kanalstückchen, dann wieder auf dem freien Doubs. Der Canal du Rhone au Rhin ist der reine Luxus gegenüber dem Canal de Bourgogne: Wir bekommen am Anfang einen Funksender, etwa 300m vor einer Schleuse bestellen wir die Schleusung, da die Schleusen unbenutzt immer unten sind, gehen gleich die Tore auf und wir können fast ohne Wartezeit einfahren. Wir haben genug Zeit, die Taue zu befestigen, denn den Beginn der Schleusung bestimmen wir selbst, in dem wir in der Kammer eine Stange hochschieben, die oben den Startknopf auslöst.
Gestern klappte das nicht so wie es sollte: Das gelbe Blitzlicht unter dem Einfahrtsignal bestätigte die Bestellung, aber die Tore blieben zu, und das Signal zeigte mal nichts, mal rot, mal alle Farben zugleich. Wir legten am hier auch vorhandenen Wartesteg an (der nächste Luxus), gingen hoch zur Schleuse, um uns an der Rufanlage zu melden, aber das war nicht nötig, denn das Auto mit einem VNF-Techniker war schon vor Ort. Er hatte in der Videoüberwachung gesehen, dass das Signal verrückt spielte. Nach ein paar Minuten unter telefonischer Anleitung gab er erst mal auf und schleuste uns manuell durch – das heißt, in dem er selbst auf dem Steuerpult die nötigen Knöpfe drückte. Das hatte für uns noch den kleinen Vorteil, dass er uns von oben die Leinen abnahm, die Kammer war nämlich um die 6m hoch, da wären wir oben gar nicht an die Poller gekommen, sondern Maria hätte über die steile Leiter in der Schleusenwand hochklettern müssen. Die immer wieder berichtete Schnelligkeit, mit der die VNF solche Probleme an Automatikschleusen löst, hat sich also bestätigt.
Doch der Luxus hat noch mehr Seiten: Da der Doubs ein sehr sauberer Fluss aus dem französisch-schweizerischem Grenzgebiet ist, und auch die kurzen Kanalabschnitte von ihm, wenn auch langsam, durchflossen werden, ist das Wasser überall sauber und lädt zum Bade. Mit Blick auf das sehr warme Wetter, das einen nach zehn Schleusen schon mal schweißgebadet anlegen lässt, ist das natürlich ein Genuss.
Und weil hier, jedenfalls gelegentlich, auch andere Boote unterwegs sind – naja, uns begegnen im Schnitt vielleicht zwei am Tage, aber anscheinend genügt das, oder es liegt einfach an einer anderen Wasserqualität, frischer und weniger Nährstoffreich – gibt es bisher auch nur sehr wenige Algen. Sie sind auch hier vorhanden, aber hindern weder die Fahrt noch setzen wir den Seewasserfilter zu. Zwei Mal am Tag reinigen reicht.
Schließlich ist auch die Mittelgebirgslandschaft, durch die sich der Fluss windet, mit ihren kleinen Dörfern an den Hängen, wunderschön. So ist diese Route wirklicher Urlaubsgenuss und wir sind froh, uns für diese Route entschieden zu haben.
Beeindruckend sind auch kleinere, uns unbekanntere Städte wie Dole mit ihrem mittelalterlichen Stadtbild. Der Kanal verläuft am Fuße der alten Stadtmauer und bildete damit einen Verteidigungsgraben. Die jungen Leute auf der Wiese haben gerade ihre Abiturzeugnisse bekommen. Das große repräsentative Gebäude ist eines der zwei Gymnasien der Stadt. Gekrönt wird auch dieser Ort von einer Kathdrale ganz oben auf dem höchsten Punkt der Stadt.
Kleine Ärgernisse gibt es natürlich bei aller Freude – warum bloß ist jede Schleuse etwas anders mit Pollern ausgestattet, warum bloß ist die Bedienungs- und damit die Festmachseite wahllos mal links, mal rechts?? In den zum Glück seltenen sehr hohen Schleusenkammern gibt es manchmal irgendwo einen Poller auf halber Höhe in der Wand. Leider unbrauchbar, da er bei steigendem Wasser nachher zu tief unten ist, um das Boot zu halten. Und zwischendurch Umlegen ist bei den Kräften, die das immer sehr kräftig einströmende Wasser auf das Boot ausübt, auch keine Option. Also muss trotzdem irgendwie auch ein Poller oben auf der Schleusenwand genutzt werden. Und schließlich: Warum haben die Poller immer unterschiedliche Köpfe? Bei einigen Schleusen steigt das Boot sehr weit aus der Kammer, und wenn die Poller dann bloß kleine runde Köpfe haben, springt die Leine ab, bevor man ganz oben ist. Alles nicht wirklich schlimm und irgendwie zu lösen, aber auch alles unnötige Probleme…
Auch ärgerlich ist die Situation der Anlegemöglichkeiten. Wir haben zusammen mit dem Funkbedienungsgerät auch eine sehr übersichtliche Karte mit allen Liegestellen bekommen. Frisch und neu von der VNF. Bloß leider falsch. Ein Ort, der eigentlich notwendig ist, weil er zwei sehr lange Etappen unterteilt, soll angeblich 6 Liegeplätze, sogar am Steg und mit Strom, haben. Tatsächlich hängt vor der Zufahrt zu den Stegen ein Sperrschild, und die Stege sind alle mit Dauerliegern belegt, zum Teil in diesem Jahr noch nicht unter der Winterplane hervorgeholt. Die Anlegestellen werden von den Gemeinden vor Ort betrieben, und auch hier scheint die Wertschätzung für den Bootstourismus sehr unterschiedlich ausgeprägt. Zum Glück fand sich dann in der folgenden Etappe dieser sehr schöne Liegeplatz, der nicht verzeichnet ist, obwohl er sicher schon so alt ist wie der Kanal selbst, so dass wir noch vor dem Nachmittagsgewitter mit Sturzregen anlegen konnte.
Auch zwei Tunnel gehören zu der Strecke, aber ordentlich hoch, nur ein paar hundert Meter lang und mit einem Geh-/bzw. Radweg daneben, das heißt, dass früher der Treidelpfad durch den Tunnel geführt war. Nein, diese Tunnel konnten uns nicht mehr schrecken und bedurften auch keiner Vorbereitung.
Dafür haben sich die Betreiber beim ersten Tunnel aber eine kreative Beleuchtung, von der ein Teil sogar funktionierte, und eine lustige Neckerei am Ende ausgedacht:
Auf dem ersten Bild kann man es am besten erkennen: Am Tunnelausgang stürzt ein Wasserfall wie ein Vorhang die Felswand hinab. Etwas aufgeregt schließt man also im Tunnel mal lieber alle Luken. Hat man den Ausgang bis auf weniger Meter erreicht, geht der Wasserfall unvermittelt aus. Er kommt aus einem extra angebrachten Rohr, auf dem letzten Bild gut zu erkennen!
Bevor wir gleich in Besançon noch ein kleines Abenteuer zu bestehen haben, noch ein paar Bilder von Doubs und Kanal:
Nun erreichen wir Besançon, oben sind schon die Mauern der Zitadelle zu sehen. Die Altstadt liegt auf einem Hügel, der von einer Flussschleife fast völlig umschlossen wird, genannt der „Boucle“. Die Zitadelle liegt sozusagen auf dem Hals dieses Hügels, schützt also die Stadt vor Angriffen „von hinten“. Damit die Schiffe nicht immer die ganze Schleife durch die Stadt fahren müssen, hat man hier im 19. Jahrhundert eine Abkürzung geschaffen, in Gestalt eines Tunnels, der unter der Zitadelle hindurch führt. Wir müssen den Tunnel nutzen, denn die Flussschleife hat nur eine Wassertiefe von ca. 1,10m, zu knapp für unser Boot. Direkt vor dem Abzweig kommt man aus einer Schleuse heraus in ein kleines Wendebecken und kann dann entweder geradeaus weiterfahren in die Schleife, oder scharf rechts in den Berg einfahren. In den Anfang dieses Tunnels hinein ist gleich noch eine Schleuse gebaut. Und diese Schleuse nun ist nicht über das Funkgerät ansteuerbar, sondern wird per Hand gesteuert.

Da das Signal dauerhaft auf rot steht, legen wir uns schließlich an diesen wohl als Wartesteg gedachte Anlage, die leider nur über zwei sehr entfernte, kleine, rückseitige Festmachpoller verfügt – siehe rechts hinter der Ente . Wir gehen hinüber zu einer Kabine der VNF, aus der die Schleuse wohl bedient werden kann, da ist niemand, aber ein Aushang offenbart, dass genau jetzt die Mittagspause beginnt. Da war wohl der Bediener schon mal eine viertel Stunde vorher gegangen… Wir essen also auch erst mal etwas.
Bis ganz unerwartet die Signalklingel das Öffnen des Tores ankündigt, und siehe da, die Ampel steht auf grün. Und dabei ist die Mittagspause doch erst zur Hälfte vorbei??
Eilig räumen wir unsere Mahlzeit beiseite, Maria sieht allerdings von unserem Oberdeck aus, dass da wohl ein Schiff in der Schleuse liegt. Zum Glück hat sie das gesehen, denn unsere Ampel ist grün, vom Steuerstand aus ist die Schleuse nicht einsehbar, so dass wir losgefahren wären. Statt dessen kommt nun ein kleines Ausflugsschiff aus der Schleuse, mit Fahrgästen auf der mehrmals täglich angebotenen Besançon-Boucle-Rundtour. Na das hätte schief gehen können.
Das Signal bleibt auf grün stehen, wir beobachten das noch fünf Minuten und gehen dann davon aus, dass es nun uns gilt und fahren in die Schleuse ein. Wieder sehr hohe Schleusenwände, im Dämmerlicht des Tunnels, Maria hat gerade das vordere Tau mit Hilfe unserer so hilfreichen Auflegestange um den Poller gelegt, da ertönt auch schon das Startsignal für die Schleusung, und die Tore hinter uns fahren zu. Ich mühe mich hektisch damit ab, mit der normalen Bootsstange das hintere Tau auf den fast unerreichbaren Poller oben hinter dem Boot abzulegen, Maria macht ihr vorderes Tau eilends auf dem vorderen Bootspoller fest, da öffnen sich auch schon die vorderen Schleusenventile und mit großer Wucht schießt das Wasser in die Kammer. In der Sekunde, in der uns die Stoßwelle erfasst und das Boot mit Macht nach hinten schiebt, war es mir gelungen, das Tau oben aufzulegen. Das lose Ende um den hinteren Bootspoller legen und mit aller Kraft gegen zu halten, ist eins. Dass Maria inzwischen vorne auch fest gemacht hatte, wusste ich da noch nicht. Da aber die Taue fast senkrecht von oben herabkommen, gibt es trotzdem kaum Seitenhalt, und Elodie bewegt sich schnell querab zur anderen Schleusenseite. Nur mit letzter Kraft kriegen wir sie eingefangen, bevor sie dort an die Mauer schlägt.
Endlich oben, erleichtert und geschafft nach der gefährlichsten Schleusung unserer Bootszeit, gehe ich, bevor wir ausfahren, noch zu der Bedienerkabine. Sie ist immer noch zu, keiner da. Also war der gesamte Vorgang von irgendwoher fernbedient.
Wir durchfahren den Tunnel und legen am Stadtkai an, kommen langsam runter, freuen uns über den schönen Liegeplatz, ärgern uns später, als wir zu Kapitanerie hinübergehen, ein wenig, dass sie uns für zwei Nächte gleich 36 Euro abknöpfen – der teuerste Liegeplatz seit Berlin…
Und schauen uns die wirklich aufregende Stadt an, eine unglaublich vielseitige Mischung aus historischer Bausubstanz mit engsten Gässchen und großen Plätzen, windschiefen Häuschen und riesigen Stadtpalästen, kleinen Parks voller Blüten und den weitläufigen Uferwiesen entlang dem Fluss. Auch ein Kloster und eine Kaserne aus Napoleonischen Zeiten befinden sich mitten in der Stadt. Ebenso vielfältig die Menschen aus aller Welt, wir liegen hinter dem Kunstzentrum, wo sich die Skater treffen, viele junge Leute prägen das Stadtbild, wohl auch bedingt durch die Universität. Die Stadt lohnt einen Besuch!
Heute sind wir zunächst zur örtlichen VNF-Verwaltung, um unser Erlebnis von gestern zu beklagen. Der Eingang ehrwürdig vom „RF“ ( Republic Francaise) – Wappen geziert. Wir durchstöbern das Verwaltungsgebäude, flurauf, flurab, jedes Zimmer mit eindrucksvollen Tafeln wie Directeur, President, Sours-prefect oder auch nur Secretaire gekennzeichnet, jedes Zimmer offen, jedes Zimmer menschenleer. Es ist 11:00 Uhr, Öffnungszeit von 10:00 bis 12:00. Wir staunen wieder mal über die französische Arbeitsmoral… Erst im Treppenhaus begegnet uns ein freundlicher junger Mann, der sich auch gleich als verantwortlich für den Schleusenbetrieb zeichnet. Er bedankt sich für unsere Schilderung und als er erfährt, dass das Büro an der Schleuse leer war, überlegt er sich eine mögliche Ursache: Das Ausflugsschiff wurde ferngesteuert geschleust, danach wurde die Schleuse der automatischen Steuerung überlassen, und in dieser Schleuse ist es nun so, dass sie im Ruhezustand oben ist. Das heißt, so seine Vermutung, dass gar niemand bemerkt hat, dass da ein Boot drin war, sondern sich einfach die Schleuse automatisch wieder in den Ruhezustand versetzt hat. Und das Füllen einer leeren Schleuse ist viel schneller gesteuert, um Zeit zu sparen, da ja in der Schleuse nichts in Gefahr gerät… Der eigentliche Fehler wäre dann „nur“ gewesen, dass das Signal für uns auf grün stand.
Nun gut, abgehakt. Des weiteren haben wir heute viel Zeit in der Zitadelle verbracht – für nur fünf Euro Eintritt, weil die Kapelle und die Ausstellung zur Resistance zurzeit gesperrt ist. Da bleibt ja nur noch die 10ha große Verteidigungsanlage selbst zu besichtigen, sowie der darin enthaltene Zoo, der geschickt in die Verteidigungsgräben, Mauern und Felswände mit ihren Nischen und Höhlen integriert ist, die Ofenplattenausstellung, die Kunstausstellung, das Insektarium, das Aquarium, die Ausstellung zur Geschichte der Region Franche-Comte… Ich denke, andernorts hätte alleine der Besuch der Befestigungsanlage mindestens 10 Euro gekostet.
Bilder von der Stadt packe ich hier nicht hinein, denn was soll man da schon schon fotografieren in einer Stadt, in der jeder einzelne Stein des Fotografierens wert wäre. Im Internet gibt’s reichlich… Aber ein paar Eindrücke aus der Zitadelle gönne ich Euch:
Morgen geht es weiter Richtung Rhein, wir rechnen noch mit ca. 10 Tagen. Seit drei Tagen ist allerdings eine der letzten Schleusen, die Nr. 12 vom Rhein aus, kaputt, die Meldung der Reparaturzeit wurde heute schon mal vom 21.6. auf den 24.6. verlängert… Hoffentlich ist das nichts Ernsteres.