Das letzte von 190 Schleusentoren des Canal de Bourgogne öffnet sich für uns:
Es ist geschafft… Dieser Kanal liegt hinter uns. Hier, in Saint-Jean-de-Losnes, erntet man sogar leicht bewunderndes Murmeln, wenn man sagt, dass man aus Auxerre durch den ganzen Kanal gekommen ist.
Die letzten drei Tage waren auch kein wirkliches Vergnügen. Langweilige Ebene, und von Dijon bis hierher wirklich ganz und gar geradeaus.
Und die VNF hat uns ganz schön Nerven gekostet. Die Unpünktlichkeit, mit der Verabredungen eingehalten werden, sind ja an sich nicht schlimm, wir sind ja nicht in Eile. Da es aber vor den Schleusen keine Wartestege gibt, heißt das auch, dass man da dann mitten im Wasser liegt, die Maschine die ganze Zeit im Leerlauf, und man immer wieder das Ruder legen und vorwärts- rückwärts einkuppeln muss, um das Boot vom Ufer und auf der Stelle zu halten.
Dialog vorgestern mittag: „Wann wollen Sie weiterfahren?“ „Gerne gleich um 13:00 Uhr. Oder besseer 13:15? Wir haben gelernt, dass die Schleusenmitarbeiter das lieber haben?“ „Nein, das ist nur, wenn die Station weit weg ist und wir noch eine längere Anfahrt haben. 13:00 ist kein Problem, ganz wie sie wollen. Bis gleich dann und guten Appetit!“ Wann kam sie wohl? Um 13:15. Und bei der Talfahrt muss dann die Schleuse immer erst noch 10min. vorbereitet werden.
Dialog vorgestern abend: „Wann wollen Sie morgen losfahren, gleich um 9:00 Uhr?“ „Ja, 9:15 wäre aber auch in Ordnung“. „Ganz wie Sie wollen“. Ein bisschen Scherzerei über deutsche Pünktlichkeit und französischer Unpünktlichkeit seitens des (als erstem) deutsch sprechenden Schleusenwärters, ja, dann also 9:15 Abfahrt. Zur Sicherheit, da es noch ein km bis zur Schleuse ist, kläre ich noch, dass wir um 9:15 abfahren, also „neufheureetdemi à l` ècluse?“ Alles klar, dann „bis morgen mittag“, ruft er im Abfahren. Nanu? Hoffentlich hat er da nur die deutschen Worte verwechselt…
Am nächsten Morgen um 9:30 ist niemand an der Schleuse in Sicht. Kaum ist es 9:45, kommt schon eine Mitarbeiterin und beginnt gemächlich, die Schleuse vorzubereiten. Einfahrt dann so gegen 10:00 Uhr.
Doch es kommt noch besser: Gerade vier Schleusen geschafft, wird auch schon geklärt, dass wir vor der nächsten Schleuse Mittag machen können, dort sei ein Kai. Da sie vor Mittag noch ein Boot hochhole, sei die Schleuse dann gleich offen und wir könnten sofort um 13:00 Uhr einfahren. Am Kai angekommen und festgemacht, in Sichtweite der genannten Schleuse. Da sehen wir die Schleusenmitarbeiterin uns heranwinken, es ist 11:50 Uhr – erstaunlich, das geht ja dann in ihre Mittagspause hinein!? Nun gut, wir machen wieder los und fahren da hin, ja, sie hätten noch Zeit, uns herunterzulassen, um 13:00 ginge es dann an der nächsten Schleuse weiter. Ob es denn da im nächsten Abschnitt einen Kai zum Warten geben? Ja, es gebe Poller. Wir ahnen schon, was das heißt, nämlich nichts, aber wieder raus aus der Schleuse? Ist auch blöd. Und wir hatten ihr ja erklärt, dass wir an den Ufern nicht anlegen können. Die Mitarbeiterin lässt das Wasser ab, öffnet das Tor und fährt in die Mittagspause, uns noch einen Bon Appetit wünschend.
Wir fahren durch den etwas längeren Abschnitt und sind um 12:30 vor der nächsten Schleuse, der vorletzten vor unserem Ziel. Es gibt nichts zum Anlegen, nada, niente. Keinen Kai, keine Poller, nur rostige Spundwände mit Steinen davor, wie wir beim Annäherungsversuch feststellen. Auch ein Ankerversuch scheitert an der ganz leichten seitlichen Brise, jetzt noch einen Schorbaum setzen, nee, das lohnt nun auch nicht für eine Viertelstunde. Schon um 13:15, wir manövrieren bereits eine halbe Stunde vor der Schleuse hin und her, kommt sie auf dem Motorroller, ruft uns zu, dass sie weiter oben ein anderes Boot holen müsse, aber ein Kollege würde gerade ein Boot uns entgegen mit hochbringen, der würde uns dann runterlassen. „Wann wird das sein?“ „Das fährt gleich in die Schleuse ein – ich muss weiter“ ruft sie herüber und gibt ihrem Motorroller die Sporen.
Um 13:30 sehen wir mit dem Fernglas, dass sich ein Boot nähert, um 13:40 taucht auch der Kollege auf und holt das Boot hoch, und um 13:50 können wir in die Schleuse einfahren. Eine gute Stunde im Leerlauf am Ruder gestanden, ca. 3,5l Diesel verbrannt… Zwei mal den Motor ausgestellt, um den Filter zu reinigen… Ja, dieses Mal sind wir wirklich genervt.
Aber nun kann es ja endlich weitergehen! Kaum vorstellbar, dass uns mal ein Schleusenteam an einem Tag durch 29 Schleusen gezogen hat! Die letzte Schleuse klappt dann ohne weitere Verzögerung – wenn’s einmal läuft, dann läuft’s prima, so war das ja die ganze Kanalfahrt über.
Gegen 14:30 öffnet sich für uns das Tor zur Welt, so fühlt es sich jedenfalls nach den Tagen auf dem engen Kanal an, und ja, jetzt gleich rechts abgebogen, und die Saone und die Rhone bringen uns ans Mittelmeer…
Ein bisschen juckt das schon in den Fingern, aber das wäre in diesem Sommer hin und zurück nur Stress, und Lust auf Hitze und Schicki-Micki-Beachlife in den dort durchweg ungeheuer teuren Luxusmarinas hatten wir ja sowieso nicht. So begnügen wir uns mit dem durchaus „vormediterranen“ Gefühl, dass der „Quai National“ von Saint-Jean-de-Losnes vermittelt und liegen kostenlos vor den auf die Hafenstufen gebauten Restaurantterassen.
Wir gönnen uns natürlich auch ein Abendessen, leider nur im, immerhin guten, Pizza-/Hamburgerbistro, weil die Restauranttische alle vorreserviert sind. Endlich dürfen die Franzosen wieder, und das kosten sie aus.
Da ja immer noch Ausgangssperre ist, nun um 23:00, verbringen wir auch hier eine äußerst ruhige Nacht, die endlich mal wieder vom Geplätscher leichter Wellen am Bootsrumpf begleitet wird. Ich hoffe es klingt nicht zynisch, aber Corona hat uns zwar zunächst Stress gemacht, weil wir nicht so früh los konnten, wie wir wollten, aber es hat uns auch sehr ruhige Nächte eingebracht, auch in den eher städtischen Anlegestellen, und vor Allem sehr wenig Verkehr auf dem Wasser. Wir wollen uns gar nicht vorstellen, wie wir auf dem Kanal vorangekommen wären, wenn alle Hotelpenichen schon in Fahrt gewesen wären und auch die in die hunderte gehenden Mietboote, die an beiden Seiten des Kanals immer noch weitgehend ungenutzt an den Stegen von Leboat, Nicols und Locaboat sowie einigen kleineren Anbietern herumliegen, und wo wir dann noch Plätze zum Anlegen gefunden hätten.
Nun also: Wir sind sehr zufrieden und ein bisschen stolz, dass wir dieses Kanalabenteuer gemeistert haben.
Und wir freuen uns über sauberes Wasser ohne Algen unter dem Kiel, das bei einem heutigen Radausflug sogar zum Baden einlädt.
Wir werden hier ein paar Tage bleiben und dem Schiffsantrieb eine große Inspektion verpassen, mit Öl- und Filterwechseln, Ventilnachstellung, Impellerkontrolle und so, und auch unsere Reparatur der Wellendrucklagerplatte „verdauerhaften“. Das machen wir ab morgen, nicht mehr hier am Flussufer, sondern im Hafenbecken, dort gibt es eine Steganlage von einem Bootsservice mit Laden und Mechanikern, so dass es auch eine Sicherheit im Hintergrund gibt, falls uns etwas fehlt oder wir etwas nicht hinbekommen.
Und es ist die Frage zu klären, ob wir nun über den Kanal du Rhone au Rhin nach Mulhouse zum südlichen Ende des Rheins weiterfahren, oder über die Petit Saone, den Vogesenkanal und die Mosel. Wir sammeln Informationen und lassen uns Tipps aus dem Booteforum geben. Das Pendel neigt sich langsam in Richtung Südroute.