Getriebeschaden?

Drei Schleusen vor unserem gestrigen Tagesziel. In jeder Schleuse muss man logischerweise bei der Einfahrt bremsen. Sonst fährt man gegen das gegenüberliegende, geschlossene Tor. Wir bremsen bergab zwei mal, erst, um die Heckleine auf einen Poller zu legen, dann geht es noch ein Stück vorwärts, damit die Bugleine zum Poller reicht. Leider ist jede Schleuse anders mit Pollern ausgestattet, nur eine Konstante gibt es, nämlich zwei Poller in großem Abstand. Darauf haben wir unsere Leinen eingerichtet.

Und dann, in der 142. Schleuse des Kanals, beim Rückwärtsschalten, statt des üblichen gedämpften „Klonk“ des Getriebes ein lautes, metallisches „Peng“. Kurz erschreckt, denke ich, dass das ein Geräusch des hinter uns von den Eclusières geschlossenen Tores sei, doch bei der zweiten Bremsung kommt das Geräusch noch heftiger. Getriebeschaden? Hier, noch 48 Schleusen vor dem größeren Hafen, in dem eventuell Reparaturhilfe zu bekommen ist?

Irgendwie muss es erst mal noch bis zu einer möglichen Anlegestelle weitergehen, die ist noch drei weitere Schleusen entfernt in Gissey sur Ouche. Das war auch unser geplantes Tagesziel. Wir geben den Schleusenwärterinnen Bescheid, dass wir die nächsten Schleusen extrem langsam einfahren werden, besprechen, wie Maria uns im Notfall mit den Tauen abbremsen muss. Im Schneckentempo und mit einer einzigen kleinen Bremsung durchfahren wir die weiteren drei Schleusen, jedesmal der Knall, aber die Antriebswelle ist danach stets eingekuppelt und die Schraube dreht rückwärts, als wäre nichts gewesen.

Wir erreichen so Gissey. Und dürfen feststellen, dass dies nun mal so eine Liegestelle nicht nur ohne jede Infrastruktur, sondern auch ohne Kai ist. Nur ein paar Poller am Flussufer. Den ersten Versuch, anzulegen, brechen wir ab, zu viele Steine in zu flachem Wasser entlang der Spundwand. Hier liegt noch ein Boot, der Skipper ruft uns zu, dass es nach der nächsten Brücke noch einen Bereich mit Pollern gibt. Dort versuchen wir es wieder, nähern uns zentimeterweise dem Ufer, den Bug bekommen wir nah genug heran, um einen Poller zu belegen, das Heck lassen wir etwas schräg vom Ufer weg, damit die Schraube nicht den Grund berührt.

So machen wir fest und nutzen wieder mal unseren Schorbaum, um das Heck vom Ufer fernzuhalten. Ausgerechnet hier hätten wir uns dann doch einen Quai der üblichen Qualität herbeigesehnt… Immerhin, schön ist es auch hier ringsum. Sogar winzige Entenküken kommen piepsend der Mama folgend vorbei.

Ab in den Keller – optisch ist nichts erkennbar. Der Schalthebel lässt sich nach Abnahmen des Bowdenzuges leicht und exakt bewegen. Mit dem Getriebe vor meinem Auge und Ohr startet Maria noch mal den Motor, ich schalte am Getriebe. Vorwärts – klack. Rückwärts – PENG. Metall schlägt auf Metall. Nicht zu orten. Ich stelle noch fest, dass es nur knallt, wenn vor dem Einlegen des Rückwärtsganges der Vorwärtsgang eingelegt war. Komisch.

Zeit, unseren Wettiner Bootsservicemann anzurufen. Wir spekulieren am Telefon herum. Er schlägt die nächsten Untersuchungsschritte vor: Erstens: Öl vom Getriebeboden auf Späne prüfen. Zweitens: Die Antriebswelle hinter dem Getriebe abschrauben und dann das Schalten erneut testen.

Gesagt getan. Mit einem kleinen transparenten Röhrchen, das wir durch die Messstaböffnung einführen und, unten angekommen, oben zuhalten, holen wir Getriebeöl von unten herauf. Es ist klar und vollkommen sauber, nicht mal schlammig.

Welle abgeschraubt und geschaltet: Es bleibt beim sauberen Klonk. Sogar beim schnellen umschalten bei noch nachdrehendem Getriebeabgang. Aber auch beim händischen Drehen der Propellerwelle ist kein Spiel feststellbar, kein Klappern oder Schlagen. Das sagt nun beides nicht soo viel aus, denn die Kräfte, die die Schraube auf den Antrieb wirken lässt, sind so natürlich nicht verhanden.

Noch ein Telefonat – Armin beruhigt uns etwas mit der Aussage, dass es unwahrscheinlich ist, dass das Problem vom Getriebe kommt, erstens wäre dann mit Sicherheit das Öl nicht so sauber, zweitens seine die Newage PRM Getriebe eigentlich unkaputtbar. Eine weitere Vermutung ist aber auch nicht viel schöner: Zwischen Motor und Getriebe, da, wo bei Autos die Kupplung sitzt, sizt bei Booten nur ein Rotatationsdämpfer, damit das Mitreißen der Schraubenwelle beim Gang einlegen nicht so hart auf den Motor durchschlägt. Da könnte eine Feder gebrochen sein. Das erklärt allerdings nicht, warum der Knall nur beim Rückwärtsgang kommt, denn hier vor dem Getriebe ist ja die Drehrichtung noch bei beiden Gängen gleich, die vom Motor.

Es bleibt nur, vorsichtig weiter zu fahren und in St.-Jean-de-Losne bei der Werft vorzusprechen… Nach dem Wiederanschrauben der Antriebswelle, auf eine Wunderheilung hoffend, machen wir noch einen Versuch. Dabei fällt auf, dass die Welle, die hinten aus dem Getriebe rausgeht und ein Schiebestück hat, beim Umschalten sehr hart vor und zurück springt. Das dürfte eigentlich nicht sein, denn die abgehende Propellerwelle ist ja durch ein Lager weiter hinten mit dem Bootsrumpf verbunden. Das sogenannte Drucklager. Das sorgt dafür, dass die Schraube, wenn sie über die Antriebswelle das Boot vorwärts schiebt, nicht den Motor schiebt, der dann nur über seine Gummilager das Boot antreiben müsste, sondern direkt den Bootsrumpf. Durch dieses Drucklager dürfte die Welle sich eigentlich nicht vor- und zurückbewegen.

Wir öffnen den Generatorraum, der Keller hinter dem Motorraum, hier, unter dem Generator, ist nämlich dieses Drucklager. An der Wellenschmierung, am Fettrand, ist deutlich erkennbar, dass die Welle auch hier nicht nur dreht, sondern sich auch ca. 8mm vor und zurück bewegt. Und dann zeigt sich die wahre Ursache. Das Drucklager ist in eine 10mm Stahlplatte verschraubt. Diese Platte ca.. 45cm lang, quer durch den Kielkasten, und ist dann links und rechts an diesen mit einer ca 10cm langen Schweißnaht angeschweißt.

Da hat unser sonst so hoch gelobter Bootsbauer damals wohl einen Fehler gemacht. Eine flache Platte, und ist sie auch noch so dick, biegt sich unter Druck natürlich minimal hin und her und vibriert unter dem Druck der schiebenden Schraube. Diese Biegung kommt an der Schweißnaht als Knickbewegung an, und irgendwann ermüdet halt auch die beste Schweißnaht. Hätte er die Platte oben und unten noch einmal mit einer Abwinkelung versehen, wäre das nicht passiert.

Hier ist die abgerissene Naht gut zu sehen. Was passiert nun: Im Vorwärtsgang schiebt die Welle das Drucklager nach vorn, die einseitig nicht mehr befestigte Platte geht ein Stück mit, sich so weit biegend, wie es die andere Seite zulässt. Legen wir nun den Rückwärtsgang ein, schlägt die Platte zurück in ihre Ausgangsstellung, wo sie von der an der Seite ja noch stehenden Schweißnaht aufgehalten wird. Das macht den lauten metallischen Schlag.

Ursache gefunden, und lange nicht so schlimm wie befürchtet. Immerhin. Allerdings an schlecht zugänglicher Stelle. Drei mögliche Lösungen bieten sich an – entweder der Einbau eines passenden Kantholzes, der die Platte gegen die Schweißnaht hält, oder der Einbau eines Winkeleisens mit Verschraubungen, oder das erneute Anschweißen.

So weit wieder entspannt und in dem Wissen, dass wir uns selbst werden helfen und wieder flott machen können werden, beenden wir den Tag mit leckerer Pizza. Am nächsten Morgen dann die Ärmel hoch:

Die letzte Möglichkeit, das Anschweißen, entfällt, als wir leider feststellen, dass wir zwar unser Schweißgerät nebst Elektroden, aber nicht den Schweißerhelm wieder mit zum Boot genommen haben. Außerdem hätten wir das nicht auf der alten Schweißnaht in der Qualität aufsetzen können, dass es auch nur halb so stabil geworden wäre wie die Originalnaht.

Verschrauben entfällt dann nach einigen Versuchen, sich da unten drin irgendwie zu bewegen und den Akkuschrauber anzusetzen, ebenfalls. Selbst die deutlich kleinere Maria hat da unten, quasi unter dem Generator, keine Chance, sich herunterzubeugen und auf Wadenhöhe irgendwelche Arbeiten auszuführen.

Nein, um dort zu arbeiten, egal ob zu schweißen oder zu bohren, muss in jedem Fall der Kühlerkasten und das Auspuffsystem vom Generator abgebaut werden. Dann aber gibt es keinen Strom mehr zum Arbeiten, deshalb werden wir das nicht hier am Ufer anfassen.

Bleibt nur die Möglichkeit, mit passenden Kanthölzern den Druck der Platte aufzunehmen und gegen die Trennwand zum Motorraum zu leiten, keine schlechte Möglichkeit an sich, wenn es denn gelingt, die Hölzer stramm und genau einzupassen. Holz haben wir: In Auxerre kam ein gutes Lärchenkantholz vorbeigeschwommen, das wir herausgefischt hatten für was auch immer. Mit Stichsäge per Längsschnitt ist es ungefähr und dann in mehreren Durchgängen mit der Flex-Fächerscheibe genau auf das nötige Dickenmaß zu bringen. Das beschäftigt uns bis zum Nachmittag, denn die Unzugänglichkeit des Ortes, an dem die Hölzer einzubringen sind, stramm mit dem Hammer, macht auch das zu einem Geduldsspiel und für Maria zu einer akrobatischen Übung.

Die aber am Ende von Erfolg gekrönt ist. Nun sind beide Seiten der Drucklagerplatte stabil abgefangen und wir können recht unbesorgt weiterfahren. In St.-Jean-de-Losne können wir uns dann um eine dauerhaftere Lösung bemühen. Wobei diese wahrscheinlich schon sehr dauertauglich ist. Trotzdem wäre eine metallische Verbindung natürlich überzeugender.

Den Rest des Nachmittags genießen wir wieder die auch hier sehr schöne Umgebung, gönnen uns einen späten Mittagsschlaf und einen Dorfspaziergang.

Bei der VNF, die am Vormittag vorbeikam, um zu schauen, ob wir die Sache hinbekommen, haben wir uns für morgen um 9:00 zur Weiterfahrt angemeldet, dem steht nun nichts mehr entgegen.