Bergsteigen ist Sport – Schleusenrekord

Unsere erste Schleusentreppe… Aber eigentlich nicht, denn bei einer richtigen Schleusentreppe sind die Kammern direkt aneinander gebaut, hier hingegen sind zwischen je zwei Schleusen immer auch Abschnitte von 300 bis 400m, gelegentlich zum Wendebecken erweitert.

Heute haben wir nun also 28 Schleusen durchfahren. Und dafür nicht mal ganz 8 Stunden gebraucht. Vormittags noch eher gemächlich, weil es nur 9 Schleusen bis zu dem Kai waren, an dem wir die Mittagspause verbringen konnten, da hatten wir auch nur einen Schleusenwärter, der eher gemächlich arbeitete.

Und weil hier kaum Siedlung, also auch kaum Straßen sind, haben die meisten Schleusen auch keine Brücken. Ist der Eclusier alleine, muss er also, nachdem wir in die Schleuse eingefahren sind:

  • Talwärts die eine Torseite zudrücken oder -kurbeln.
  • Zum bergwärtigen Tor laufen um auf die andere Seite der Kammer zu gelangen.
  • Zurück zur Talseite und dort die andere Torseite zudrücken.
  • Nun wieder zur Bergseite, und wenn inzwischen nicht der Wind die eine Seite wieder aufgedrückt hat, kann er nun anfangen, die Einlassventile hochzukurbeln und Wasser einzulassen. Je mehr sich der Spiegel hebt, um so mehr kurbelt er hoch, damit es auch bei dem nachlassenden Höhenunterschied noch kräftig einströmt.
  • Wenn das Wasser „oben“ ist, kann er das eine bergseitige Tor aufdrücken – was ganzen Körpereinsatz erfordert. Dann noch das Ventil wieder herunterkurbeln.
  • Nun muss er zum talseitigen Tor gehen um wieder die Schleuse zu überqueren. Dann wieder zur Bergseite und die andere Torhälfte aufdrücken. Und wieder das Ventil zukurbeln.
  • Wir können jetzt glücklich ausfahren.
  • Der Schleusenwärter muss die Schleuse aber wieder leeren, sie müssen „unten“ sein, wenn sie nicht gebraucht werden.
  • Also muss er nun die bergseitigen Tore wieder schließen, erst die eine Seite, dann wieder über das talseitige Tor zur anderen bergseitigen Torhälfte, diese ebenfalls zudrücken.
  • Nun wieder zum talseitigen Tor, eine Seite zudrücken und das Ventil darin hochkurbeln.
  • Wieder über das bergseitige Tor auf die andere Kammerseite und das andere talseitige Tor schließen, das Ventil hochkurbeln.
  • Nun kann er über das bergseitige Tor zurück zu seinem Motorroller und uns in die nächste Schleuse folgen, in der wir inzwischen angekommen und festgemacht sind.

…Und das heute vormittag neun mal hintereinander!

Am Nachmittag ging es dann mit drei VNF-Begleitern um vieles flotter, da bleiben sie nämlich auf einer Seite, niemand muss je den weiten Weg um die Kammer machen.

Doch das wird dann für uns harte Arbeit: Kaum sind wir in die Kammer eingefahren, ist auch schon das hintere Tor zu, wir haben gerade eben Zeit, die Leinen auf die Poller 3m über uns aufzulegen, da schießt schon das Wasser ein und Maria hält die vordere Leine, ich kämpfe mit der hinteren, auf der immer wieder ein unglaublicher Zug entsteht. Das Boot will mit Macht nach vorne, gegen die Strömung. Verrückt. Die Leinen sind nur mittels selbstbeklemmender Pollerbelegung zu halten, aus der freien Hand habe ich hinten keine Chance. Kurz vor Ende des Hubvorganges gibt es dann eine kurze ruhigere Phase, da kann ich das hintere Tau belegen und in jeder zweiten Schleuse kurz nach unten, den Motorraum öffnen und den Seewasserfilter reinigen. Kaum ist der Deckel wieder zu, steht auch schon das Tor vor uns offen, Maria löst die vordere, dann die hintere Leine und weiter geht es. Nach den 19 Nachmittagsschleusen wissen wir, was wir heute geschafft haben!

Doch halt, noch nicht ganz!

Der für den Abend zum festmachen als für 1,20m hinreichend tief versprochene Kai erweist sich als zu flach. Wir experimentieren mit Ankern, aber die Schleusenwärter helfen uns auf andere Weise: Sie lassen aus der nächsten Schleuse so lange Wasser ab, bis wir 15cm mehr Wasser im Bief haben. Nun kommen wir auf ca. 1m an den Kai heran, können also an Land springen. Das Boot befestigen wir nun zum ersten Mal mit den eigens hierfür zurechtgeschweißten Schorbäumen, bzw. einem von unseren beiden, mit dem wir den Abstand zum Land sicherstellen. Schön: Damit kommt nun auch das letzte, etwas spezieller für die diversen auf unserer Reise zu erwartenden Situationen speziell gefertigte Trumm zum Einsatz und bewährt sich. Auf dem Bild die Stange in der Mitte, rechts mittels Erdnagel befestigt.

Ein kleiner Nachteil Elodies zeigt sich hier: Unserem Boot sieht man die 20to und die 1,20m Tiefgang von außen nicht an, selbst die großen Penichen, die hier als „Hotels“ durchfahren, verteilen Ihr Gewicht auf eine größere Fläche mit Plattboden und bleiben unter einem Meter Tiefgang, ebenso die ganzen Mietboote, die hier 90% des „Verkehrs“ stellen. So kommen dann solche Fehleinschätzungen wie die oben bezüglich unseres heutigen Anlegers zustande.

Jedenfalls haben wir heute ca. 10km zurückgelegt und ca. 75 Höhenmeter gewonnen. Tatsächlich, inzwischen sind wir in einer echt schönen Mittelgebirgslandschaft unterwegs, mit kleinen Dörfern an den umgebenden Berghängen. Und der Blick zurück öffnet sich in ein weites Tal.

Auch die letzten drei Tage hielten einige Überraschungen bereit. So kommt am Sonntag morgen die Meldung, dass der allerletzte Kanalabschnitt, der vor St.-Jean-de-Losne, gesperrt ist, weil dort ein Schiff verunglückt ist. Hoffentlich wird das wieder frei sein, wenn wir in ca. 10 Tagen dort ankommen. Ja, wird es, am Montag kommt schon die Meldung, dass man jetzt vorbei fahren kann, wenn auch langsam.

Ein entgegenkommender Bootsfahrer erzählt, dass es zum Teil nur sehr wenig Wasser im Kanal habe, er bezweifelt, dass wir da mit 1,20 m durchkommen, er habe nur 85cm Tiefgang und es sei mitunter recht knapp gewesen. Da er ein recht arroganter Typ Ostseeyachtbesitzer ist, messen wir dem nicht zu viel Bedeutung bei, aber tatsächlich kommen wir heute nachmittag durch ein Bief, angegeben sind auf der Pegelstange 1,4m, bei dem wir aber hier und da und bei der nächsten Schleuseneinfahrt über Grund streichen. Wieder ein Problem, das unserer Passage den Garaus machen könnte? Der Eclusier versichert uns aber, dies sei der niedrigste Pegel aller Biefs.

Obwohl der Kanal offiziell für 1,8m Tiefgang freigegeben ist, können wir uns kaum vorstellen, wie das gelingen sollte. Auf jeden Fall müsste die VNF den Kanal darauf wohl mehrere Tage vorbereiten, also Wasser aus den Reservoirs in den Bergen zulaufen lassen.

Das Algenproblem ist zurzeit eher gering, nur wenige Biefs sind stark veralgt. Richtig schlimm ist es gestern zur Mittagspause in Ravieres. Das ganze Hafenbecken ist ein einziges Gewürm von Algen. Die zahlreichen Frösche gehen trockenen Fußes auf dem Kanal umher. Das Boot schafft noch 3 km/h. Und nach der Pause ist es richtig schwierig, es vom Anlegekai wieder wegzubekommen. Wie gut, dass unser Bugstrahlruder drehzahlregelbar ist – mit voller Drehzahl würden die die durchgezerrten Algen bestimmt den Propeller zerdengeln.

Die VNF kämpft aber doch ganz ordentlich dagegen an: in den nächsten Biefs war gemäht worden. Hier liegt die Algenmähmaschine!

Die Aschehäufchen, die in Abständen seitlich des Kanals zu sehen sind, lassen uns vermuten, dass die ausgefischten Algenhaufen dann trocknen gelassen und schließlich verbrannt werden.

Allerdings bieten die Algen in jenen Biefs, in denen das Wasser schön klar ist, mitunter auch einen schönen Anblick in eine bunte (naja, grüne) Unterwasserwelt. Eine bemerkenswerte Vielfalt! Man sollte Süßwasseralgenforscher werden.

Inzwischen haben wir auch in St.-Jean-de-Losne angerufen, im dortigen Hafen, um zu fragen, wie es auf deren Seite aussieht. Wir haben das gleiche erfahren, was uns auch zwei Bootsfahrer im Gegenverkehr bestätigen: Die letzten 20km, von Dijon bis St.-Jean-de-Losne, sind die schlimmsten. Viele Boote kämen mit zerstörten Impellern (Kühlwasserpumpe) im Hafen an.

Vorgestern, Samstag, hatten wir fast 30km geschafft, sind aber auch von 9:00 bis 18:00 gefahren, von der einen Mittagsstunde unterbrochen. Gestern waren wir schon, 15km weiter, vor 15:00 Uhr am Ziel und hatten mal wieder Zeit für eine Radrunde in die schöne Umgebung.

Lustig: Viele Kirchen haben hier den Turm nicht am Westende, sondern über dem Kreuzungspunkt von Längs- und Querschiff. Da kann man natürlich die Treppe schlecht nach unten bauen. Darum kriegen sie dann so einen lustigen kleinen Seitenturm mit einer Art Brücke hinüber in den Glockenturm.

Noch zwei Kuriositäten: Wer mal ein tolles Ferienhaus braucht, dem sei dieses hier empfohlen. Und wer mal einen günstigen Dachdecker braucht, der sollte diesen hier anrufen. So übertrieben der deutsche Wahn ist, bei allem jegliches Risiko auf illusionäre Null zu drücken – das französische Verständnis von Arbeitssicherheit am Bau ist mir dann doch auch wieder nichts… Nein, außer einer viel zu steil gestellten Leiter ist da wirklich gar nichts. Kein Gerüst, kein Anseilgurt, keine Hebebühne, der spaziert da oben einfach so herum!

So – nun also der Stand der Dinge:

Die Hälfte der Kanalkilometer ist überschritten. Morgen dann in Pont Royal mit der 100sten Schleuse auch die Hälfte der Schleusen. Noch zwei Tage und 27 Schleusen, und wir sind vor dem eigentlichen Höhepunkt, dem Tunnel. Der macht uns gerade am wenigsten Sorgen, denn die niedrigeren Wasserstände, so sie denn auch dort oben ähnlich sind wie hier, bedeuten ja auch, dass wir nach oben 30 oder 40cm mehr Kopffreiheit haben werden. Sorgen nicht, aber er bliebt doch der mit Spannung erwartete Höhepunkt dieser Kanalstrecke. Übermorgen, in Pouilly, gehen wir es an. Am Boot braucht es ein paar Um-, genauer: Abbauten. Einen Blick in das dortige Kanalmuseum, wenn es denn zugänglich ist, werden wir wohl auch noch werfen. Zwei neue Starterbatterien wollen wir dort auch noch kaufen, mindestens eine hat einen Plattenschluss, und so starten wir den Motor nun nur noch mit 22,5V. So oft, wie wir starten müssen – nach jeder Seewasserfilterreinigung – kann das auch mal schief gehen. Auch wenn wir uns dann einfach mit dem bordeigenen Generator helfen könnten – dauerhaft soll das nicht so bleiben. Die Batterie ist auch schon mindestens 5 Jahre im Boot eingebaut. Irgendwann ist halt Schluss.

Auch den heutigen Abend verbringen wir auf dem Achterdeck, schauen uns um und denken: Ist das schön!!