Plötzlich Sommer

Seit zwei Tagen ist Sommer! Kurze Hose, T-Shirt, Sonnencreme.

Gestern vormittag gab es noch zwei Kanalabschnitte mit böser Verkrautung, Filterreinigung nicht nur in jeder Schleuse, sondern sogar zweimal mitten dazwischen.

Vormittage sind hier aber kurz, vor 9:00 passiert nichts, um 12:00 ist schon Mittagspause, und wenn man dann die nächsten zwei Schleusen nicht mehr vorher schaffen würde, auch schon mal um 11:30. Weiter dann um französische 13:00 Uhr, das heißt also um 13:30.

Am Nachmittag schafft man dann aber ganz gut was. So haben wir es gestern auch wieder auf 20km gebracht. Und die Verkrautung hat deutlich nachgelassen, gestern nachmittag und heute konnten wir nahezu frei fahren.

Heute ging es aber bei uns erst um französische 13:00 los (der Schleusenwärter war also um 13:30 pünktlich zur Stelle). Denn am Vormittag hatte Maria noch einen Homeofficetermin, eine Online-Dienstbesprechung. Das französische LTE-Netz funktioniert doch sehr verlässlich, unser LTE-Router hat eigentlich immer guten Empfang und gibt alles fleißig in das Bord-WLAN weiter.

Gestern wie heute fanden wir unseren Nachtliegeplatz in den kleinen, Hafen genannten, Seitenbecken mit Kaimauer, die entlang des Kanals bei kleinen Dörfern anzutreffen sind. Hier liegt man kostenlos. Nur wenn man Strom wollte, müsste man dafür 9 bis 10 Euro je Nacht bezahlen, Wasser könnte man dafür auch auffüllen. Brauchen wir aber bisher nicht, unser 1000l-Tank ist noch gut gefüllt.

Die Landschaft wird immer schöner, die Dörfer immer ursprünglicher mit ihren verwinkelten Häusern aus beigefarbenen, in beigen Lehm gesetzten Natursteinen in ebenso verwinkelten Gassen, auf Anhöhen des Armançon-Tales gelegen. Der Kanal, immer begleitet vom Flüsschen, mal gleich daneben, mal durch etwas Wald und Wiese getrennt, immer idyllischer.

Noch ein paar Kanalbilder…

Auch bei den Mahlzeiten lassen wir es uns gut gehen. Heute waren wir auch in einer kleinen Charcuterie. Da läuft einem das Wasser zusammen angesichts der vielen Wurstzubereitungen, Pasteten, Teigtaschen. Man möchte eigentlich gleich alles kaufen. Da könnte sich manches deutsche Schlachtergeschäft einige Scheiben von abschneiden. Immerhin, dafür haben wir die besseren Bäcker. Das ruft doch nach mehr interkulturellem Austausch!

Und weil wir auch heute nachmittag nur ca. 10km gefahren sind und die schon in zweieinhalb Stunden durchfahren waren, hatten wir auch noch mehr Zeit für eine Fahrradrunde in Dörfer und Umgebung.

Leider haben wir den Eindruck, dass es den Kanal nicht mehr sehr lange geben wird. Es gibt keine Lösung für das Algenproblem, eine Folge des erwärmenden Klimas und des immer geringeren Bootsverkehres im Kanal. Es gibt Mähmaschinen, aber deren Einsatz ist teuer, mühsam, und erzeugt erst Mal einen Unmenge Algenabfall und danach ein beschleunigtes Wachstum.

Zugleich wurde die Betreibung des Kanals vom Staat „versuchsweise“ an die Region Burgund abgegeben, die allerdings die Dienstleistungen am Kanal dann doch wieder von der VNF einkauft. Das wirkt recht konzeptlos. Noch konzeptloser wirkt aber die Schleusentechnik. Es gibt extrem unterschiedliche Unterhaltungsqualitäten. Vor allem aber gibt es an willkürlichen einzelnen Schleusen schon vor langer Zeit umgesetzte Modernisierungen bis hin zur Selbstbedienungstechnik. In Betrieb ist keine davon, war auch wohl nie, und zum Teil ist die technische Ausstattung dafür auch schon wieder kaputt oder demontiert. Einstweilen ist die Begleitung durch Schleusenbediener ja für uns Reisende äußerst sympathisch und klappt bis auf die ausgedehnten Mittagspausen auch recht reibungslos. Aber bei einigen Schleusen gewinnt man schon den Eindruck, dass sie in den nächsten Jahren einstürzen. Das gab es auch an anderen frz. Kanälen schon, aber bei diesem wäre das, so unser Gefühl, dann das Ende der Kanalstrecke. Aber wer weiß, das französische Improvisationstalent und die oft gut gelingende pragmatische Verbindung von alt und neu klappt vielleicht länger, als wir deutschen uns vorstellen können… Freuen wir uns jedenfalls, dass wir den Kanal noch erleben können.

Apropos Verkrautung – ein Anruf im Hafen von St.-Jean-de-Losne am anderen Ende des Kanals bringt uns folgende Information: Die höheren Teile des Kanals sind meist in besserem Zustand, aber die schlimmste Etappe steht uns noch bevor: Die letzten 20km, die von Dijon nach St.-Jean-de-Losne. Dort sei der Kanal über die ganze Breite dick durchwachsen. Nun ja. Da in jener Etappe aber auch nach jedem Kilometer die nächste Schleuse kommt, setzen wir einfach mal darauf, dass unsere Methode, den Seewasserfilter in jeder Schleuse zu reinigen, dann auch da hinreicht, und der Motor uns auch dort, dann eben mit 3km/h, hindurchschiebt. Ansonsten müssen wir es machen wie früher und unser Schiffchen die letzten 20km treideln. Zwei Tage 10km Wandern ist ja an sich kein Problem. Auch mit 20to Schiff am Tau? Naja, ich, Knut, muss ja das Schiff steuern.

Ganz interessant übrigens: Der Kanal wird ja in der Scheitelhaltung aus Rückhaltebecken gespeist. Dort wird von Herbst bis Frühjahr Wasser gesammelt, um auch im Sommer genug Wasser oben am Kanalscheitel einspeisen zu können. Und das ist im Sommer nötig, weil mit jeder Schleusung ja Wasser nach unten abgegeben wird. Doch auch das wird zunehmend problematisch, weil es über das Jahr hinweg immer weniger regnet und die Speicherbecken sich teilweise nicht mal mehr zu 50% füllen. Wenn eines leer ist, muss der Kanal geschlossen werden, unserer in 2019 schon im August. Schon kann das Kraut um so ungestörter gedeihen.

Hier, im noch tieferen Teil des Kanals, wo noch parallel ein Fluss verläuft, wird aber noch Flusswasser in den Kanal übergeleitet. Da der Fluss ja ein relativ gleichmäßiges Gefälle hat, dem in etwa das Tal folgt, der Kanal aber in Stufen verläuft, hat man unterhalb einer Schleuse oft einen Bereich, in dem der Fluss höher liegt als der Kanal. Da kann man dann etwas herüberlaufen lassen.

Na dann – gute Nacht!