Mit 20 km/d über’n Berg

Richtig, nicht 20km/h, sondern pro Tag.

Montag ging es die Yonne wieder hinab, zurück bis Migennes. Eine unkomplizierte Fahrt in heftigem Aprilwetter. Es war alles dabei, strahlend blauer Himmel bis Hagel. Alle Schleusen waren für uns vorbereitet. So erreichten wir den kleinen, für zwei Boote passenden Liegeplatz von Laroche Saint Cydroin.

Dienstag dann wieder erhöhte Spannung: Einfahrt in den Canal de Bourgogne, wir waren für 10:00 Uhr an der Schleuse gemeldet, das klappte auch ganz prima, das Tor stand für uns offen, bei der Weiterfahrt mussten wir dann allerdings gleich mal an der übernächsten Schleuse die Mittagspause von 12 bis 1 Uhr abwarten. Die erste Schleuse ist dann auch gleich eine Herausforderung, über 5m Hubhöhe, keine Poller in der Wand, der Schleusenwärter lässt eine Leine herab, mit der er unsere hochzieht, um sie dann oben auf Poller zu belegen. Dass so lang senkrecht herabkommende Leinen nicht wirklich Halt gegen seitliche, Vor- und Rückwärtsbewegungen geben, versteht sich. Die Kammern sind allerdings auch nur 5,4m breit, es besteht also keine Gefahr, zu schräg zu schlagen. Der Motor bleibt aber an – damit lässt sich im Notfall mehr ausrichten als mit den Tauen.

Der Port du Migennes ist voller Locaboats und danach voller Dauerlieger, die dort dichtgedrängt römisch-katholisch liegen, ohne Zwischenstege, Dalben oder ähnliches. Nur mit zwei Heckleinen befestigt. Bei Wind muss das ganz schön knirschen…

Nun heißt es für einige Tage steil bergauf. Der Kanal steigt von 80 m ü.d.M. in Migennes bis auf 376 m ü.d.M. am Tunnel de Pouilly, 114 Schleusen zu Berg.

Man sieht auf dem Bild gut, wie steil es nach oben geht. Da heißt es gut festhalten und niX loses auf den Tischen.

Am Dienstag und Mittwoch fahren wir bis Tonnerre, das wir uns am Sonntag noch mit dem Auto angeschaut hatten. 42km sind geschafft. Die Ansage vom Sonntag, dass ca. 10% der Abschnitte stark veralgt seien, bestätigen sich. Anscheinend neigen eher die längeren Abschnitte dazu. Einer von 4km Länge und einer von 5 sind am schlimmsten betroffen, mühsam schiebt sich Elodie durch das Dickicht. Mit der gleichen Drehzahl, mit der wir normalerweise 7 bis 8 km/h schaffen, sinkt die Geschwindigkeit dann schon mal auf 3km/h, der Motor hat aber kein Problem, mit entsprechend höherer Drehzahl wieder voranzukommen, so mit 6km/h in der Regel. Das ist auch sowieso die zulässige Höchstgeschwindigkeit des gesamten Kanals.

Wenn das Boot deutlich langsamer wird und auch das Steuerruder unruhig wird, hat sich ordentlich was um den Propeller gesammelt. Dann heißt es, mit kräftig Rückwärts kurz aufstoppen, dann hat sich alles wieder abgewickelt und es geht gut weiter.

Jedenfalls können wir davon ausgehen, dass sich alle Algen, die sich in den letzten drei Jahren, die Elodie im Wasser war, am Unterwasserschiff angewachsen waren, nach dem Canal de Bourgogne wegpoliert sein werden!

Natürlich zieht sich auch ordentlich was in den FIlter des Seewasserkreislaufes. Gut ist, dass wir ja eigentlich eine Kielkühlung haben. Eine Überhitzung des Motors ist dadurch ausgeschlossen. Und da auch der Auspuff vom Kielkreislauf schon vorgekühlt wird, steigt die Auspufftemperatur dadurch auch nicht bedenklich an. Nur die Ölkühler von Motor und Getriebe werden nur vom Seewasser durchspült, aber bis bei den niedrigen Drehzahlen hier etwas zu warm wird, können wir lange fahren… Jedenfalls sind wir froh, dass wir eine genaue Auspufftemperaturanzeige eingebaut hatten, die haben wir jetzt stets im Auge und kriegen so mit, wenn nicht mehr genug Seewasser durchgeht.

Während wir am ersten Tag nach den 4km sehr viel aus dem Filter pulen müssen, gewöhnen wir uns heute an, einfach in jeder Schleuse kurz die Algen aus dem Filter zu nehmen. Da wir heute erstens viel mehr Schleusenroutine haben und auch die Leinenführung sehr optimiert haben, und zweitens glücklicherweise alleine schleusen können, ist dafür immer Zeit, wenn der eigentliche Hubvorgang vorüber ist und der Schleusenwärter die beiden Tore aufkurbelt. Er muss dafür immer von der einen Seite über das Tor am geschlossenen Ende der Schleuse auf die andere Seite laufen, um auch dort aufzukurbeln.

Ein paar Schleusenbilder:

Die Schleusenwärter begleiten uns mal über zwei, mal über vier Schleusen hinweg, die meisten sind sehr hilfsbereit und mit Freude dabei, der letzte für heute war eher desinteressiert und hat ungern sein Handyspiel zur Seite gelegt. Aber unfreundlich oder ungeduldig, nein, das haben wir noch an keiner Schleuse erlebt.

Der Kanal selbst ist sehr schön, Entschleunigung pur, aber nicht spektakulär oder spannend. Mal von Alleebäumen gesäumt, mal von Wald, gelegentlich auch mal einen weiteren Ausblick über die burgundische Landschaft gewährend.

Die beiden letzten Bilder zeigen ein uns begleitendes Schleusenwärterteam, das auf dem Weg zur nächsten Schleuse überholt. Der erste per Moped, der zweite hechelt gemächlicher hinterher, ist aber auch pünktlich zur Streicheleinheit an der nächsten Schleuse zur Stelle.

In diesem idyllischen ehemaligen Schleusenhäuschen wohnt ein älterer sehr freundlicher Herr, der täglich mit Hund und seinen zwei Ziegen spazieren geht und zurzeit dabei wilden Spargel einsammelt. Für 4 Euro fünfzig kaufen wir ihm welchen ab für ein leckeres Abendessen.

Maria zaubert dazu – zum ersten Mal selbst gemacht – eine sehr gelungene Sauce Hollandaise!

Und was macht das Boot so, nach der langen Winterpause? Hauptsächlich Freude. Auch technisch gesehen. Nach dem ersten Fahrtag wollen wir eigentlich nur noch den Fetttopf für die Wellenschmierung wieder befüllen…

Ganz so einfach soll es nicht bleiben: Erstens entdecken wir, dass die Kammern der Starterbatterien z.T. bis zur Hälfte trocken sind – sie haben wohl das Dauerladen über die Wintermonate nicht gut vertragen. Zweitens hat sich in dem kleinen Napf, mit dem wir die gelegentlichen Öltropfen aus der Schaltwelle auffangen, auf einmal sehr viel Getriebeöl angesammelt, ca. 200ml.

Und im Napf finden wir auch die Erklärung: Die Schaltwelle geht durch einen mit zwei Schrauben gehaltenen Flanschdeckel. Die Schrauben sind in zwei Sacklöcher im Getriebegehäuse gedreht. Eine der beiden Schrauben hat keinen Kopf mehr! Nach Abschrauben des Deckels war zum Glück genug Schraubengewinde mit der Zange greifbar, um den Rest herauszudrehen, und unser Schraubenlager hatte zum weiteren Glück etwas – nach Kürzen – passendes parat. Erledigt. Und heute Abend waren dann auch wieder nur drei oder vier Tropfen herausgedrungen, kein Wunder nach den vielen Schleusenmanövern.

Eine Fahrt zum örtlichen Baumarkt um 10min vor Schließung (nach einer Fahrradtour kräftig bergauf) bringt mich dann auch noch in den Genuss, zwei Flaschen Batteriewasser kaufen zu können. So lässt sich auch das erledigen.

Ansonsten macht sich Elodie prima. Das permanente Fahren fast bei Leerlaufdrehzahl ist aber sicher nicht gut für den Motor, weil er kaum richtig auf Betriebstemperatur kommt. Das zeigt sich auch daran, dass er das Rauchen nicht so richtig lässt, wie sonst, wenn er warm gefahren ist. Aber da muss er durch, und wir, und eventuell mitschleusende andere Boote.

Nach der Anspannung des ersten Tages war dieser zweite schon sehr angenehm, wir können den Kanal einschätzen, haben Schleusenroutine, wissen, dass Elodie mit den Bedingungen zurecht kommt. Nun soll es einige Tage so weitergehen, bis hinauf zu dem dann wieder sehr spannenden Tunnel. Und ab morgen dann auch mit frühlingshaften, fast schon sommerlichem Wetter. Heute war es noch mal böse nass vom Himmel.

2 Gedanken zu „Mit 20 km/d über’n Berg

  1. Hallo Maria, hallo Knut, eine tolle Reise macht Ihr da, Hut ab!
    Kann man Euch auf diversen Marinewebsites (z.B. Marinetraffic.com) verfolgen? Ich sehe gerade ein „Passenger Vessel“ südlich von Ravières.
    Viele Grüße aus Jena von Christian (vom d.r.f. Tagungsbüro)

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  2. Moin Christian, schön, wer unsere Seite so alles findet! Im Prinzip kann man uns auf Marinetraffic verfolgen, wir haben einen AIS-Sender an Bord. Das funktioniert aber bei Sportbootsendern nicht über Satellit, sondern nur über Landempfangsstationen. Die gibt es an allen wichtigen Wasserstraßen mit Berufsschifffahrt, aber nicht an so kleinen Kanälen wie dem Canal de Bourgogne. Eventuell dauert das noch bis zu Rhein oder Mosel, bis wir wieder dort auftauchen. Zurzeit findest Du unser Boot nur mit letztem Standort etwas Seineaufwärts von Paris.
    Heute haben wir einen richtig schönen Übernachtungskai am Rand eines kleinen burgundischen Dorfes gefunden . den genießen wir jetzt erst mal bis morgen MIttag.

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