Jeden Tag wird es schöner

Schon liegen wir unter Palmenstränden. Das hätten wir auch nicht gedacht!

Tatsächlich – seit dem Tiefpunkt in Charleroi wird es stetig schöner und schöner! Schon der Canal du Nord war ein Genuss, wie er sich so durch das Hügelland schlängelte – und nun, die Oise, ja, ein richtiger Fluss mit wilden Ufern und schönen Dörfern. Natürlich auch hier und da mal eine Industrieanlage, aber vereinzelt und meist heil, gepflegt und hinter Gebüsch.

Ebenso erfreulich: Sowohl die Schleusenwärter als auch die Berufsschiffer sind total nett, weit mehr als wir es aus Deutschland und erst recht aus Belgien kennen.

Anders als in Deutschland und Holland gibt es hier auch noch Frachtverkehr mit den alten Peniches mit Längen um die 50m und Breiten um die 5m, gefahren von Partikuliersfamilien, die davon leben können und Zufriedenheit ausstrahlen. Und die sind halt netter, gelassener und näher dran als die Leute auf den hoch aufragenden rundum getönt verglasten Brücken.

Aber der Reihe nach – am Abend gab es noch, wie angekündigt, einen Besuch auf dem holländischen Plattbodenschiff mit seinen schweizer Bewohnern, die damit seit 7 Jahren nach vorzeitiger Berufskündigung wohnen und durch Europa touren. Da haben wir noch einige Tipps für Paris bekommen. Und während wir da so saßen, hielt neben unserem Boot ein Auto, eine kleine ältere Dame stieg aus und schickte sich an, unser Boot zu ersteigen, bis ich ihr ein fragendes „Madame?“ zurief. Dann kam sie, von dem Auto begleitet, zu uns herüber, ihr Mann stieg aus und öffnete den Kofferraum und sie fragte uns, ob wir Gartengemüse bräuchten. Sowohl die Schweizer als auch wir kauften ihnen das eine oder andere ab, wobei sie gleich noch das Rezept für Kürbissuppe erzählten. Die beiden fahren regelmäßig den Kanal entlang und verkaufen den Berufsschiffern Gemüse, so bessern sie vermutlich ihre Rente auf.

Am nächsten Tag sind wir wieder um 7 Uhr auf den Beinen, aber um zuerst mal eine Fahrradrunde durch das vielversprechende, und wie sich zeigt, auch haltende Peronne zu drehen. Die Stadt selbst ist schön, aber ganz besonders wird sie durch die bis an den Stadtkern heranreichenden Parks und Seenlandschaften der Somme, die hier in ihrem Tal wild ausufern darf. Das damalige französische Konzept, nicht Flüsse selbst zu kanalisieren, sondern parallel im gleichen Tal einen getrennten Kanal zu bauen, überzeugt uns sehr…

Die Fahrt beginnt mit Schleusenpech – wir fahren um zehn los, zur ersten Schleuse hin bei grün, und im letzten Moment schaltet sie auf rot und schließt sich. Das ist eben der Nachteil bei ferngesteuerten Anlagen – die sehen einen erst, wenn man im Kamerabereich ist. Dass aber auch auf den Funk niemand antwortete, war nicht gut. So hieß es nicht nur, einmal rauf und runter abzuwarten – ein anderer Plaisancier war auf der anderen Schleusenseite leider etwa 30sec. vor uns im dortigen Kamerabereich eingefahren – sondern dann auch noch, ein sich nur mit 8km/h fortbewegendes Berufsschiff in die Schleuse vorlassen zu müssen. Überholen hätte keinen Sinn gehabt, denn schon bald hätten wir an der nächsten Schleuse wieder auf ihn warten müssen. Nach der dritten Schleuse schlug er aber vor, dass wir vorfahren sollten, denn nach dieser käme der Tunnel, und da könne er nur 2km/h fahren – da würden wir nach dem Tunnel an der nächsten Schleuse wohl nicht mehr mit ihm gemeinsam absteigen müssen. Natürlich kam es so, wie er es uns zufunkte, alter Hase halt.

Und da war er, der nächste Tunnel, viel kürzer als der von gestern, aber im Gegensatz zu jenem nur sehr spärlich beleuchtet – beim Hineinfahren aus dem Sonnenlicht konnte man gar nicht erkennen, in welche Richtung es darin gehen würde.

Weiter ging es durch die Abstiegsschleusen bis nach Janville, wo wir nun wieder genau beim Schließen der Schleusentore zum Feierabend um 18:00 Uhr eintrafen – so haben sich die 30sek. vom morgen über den ganzen Tag fortgesetzt.

Und am Ende war auch das wieder schön, denn als wir mit unserem Abendessen fertig waren und noch eine Runde ins Dorf laufen wollten, kam das Schiff mit den 8km/h noch herangeglitten und legte sich hinter uns. So kam es zu einer interessanten Unterhaltung mit einem auf und mit seinem Schiff alt gewordenen Berufsschiffer mit interessanten Einblicken in so eine Lebensweise, einem interessanten Einblick in seinen Laderaum, wo lauter Stahlblechrollen von je 22to Gewicht drin lagen (davon kann ein LKW nicht mal 2 transportieren), und darauf auf einer Art Plattform sein PKW, den er von seiner hinteren Wohnkabine herunter stellen musste, weil er in die Aisne einbiegen wird, die noch niedrigere Brücken hat. In zwei Jahren wird er aufhören und sein Schiff in lauter Einzelteile zerschnitten werden. Wie sich das wohl anfühlen wird? So wird er denn den neuen „Nord-Europa-Kanal“, der ab 2016 den Kanal du Nord ersetzen soll(te), nicht mehr erleben, „oder seht Ihr auch nur den Anfang einer Baustelle? C’est la VNF!“ seufzt er, mit einer ausholenden Armbewegung auf die baustellenfreie Umgebung deutend… Nicht nur Deutschland hat seinen BER… (Die VNF ist die „Voie navigable de France“, die staatliche Gesellschaft, die sich um Bau und Unterhalt der Wasserstraßen kümmert (und unsere 150€ bekommen hat).

Am nächsten Tag, heute, ging es nun die Oise hinab. Da es nachts recht kühl und tags sehr schnell sehr warm wird, gibt es underschönen Dunst über dem morgendlichen Fluss.

Welch ein Genuss, wieder einen richtigen Fluss zu fahren, durch schönste Landschaften und hübsche Uferdörfer.

Und zunehmend auch Wohnschiffen am Ufer – das ist nicht nur in Paris beliebt. Und anders als in Belgien sind die meisten auch recht liebevoll gestaltet, mal schick, mal verwunschen, aber stilvoll…

Und mit großartigen Schleusen: Im Canal du Nord waren sie richtig anstrengend – über 6m Hub, sehr schneller Anstieg bzw. Fall mit starken Pendelbewegungen im Wasser, so dass man mit dem Pollerumlegen kaum hinterherkam und sehr koordiniert arbeiten musste mit unseren beiden Tauen, war jedenfalls die Armmuskeln trainiert hat. Hier nun sind sie total gemütlich und technisch prima. Es gibt immer eine kleine und eine große Kammer, so dass eine immer schon vorbereitet ist, wenn wir ankommen, der Hub beträgt unter 1,5m, das Wasser steht recht ruhig, und die Poller sind an den richtigen Stellen. Und die Schleusenwärter nett: Der erste ruft uns etwas zu, als wir nicht gleich verstehen, kommt er herunter und weist auf ein paar Kisten Äpfel, und wir sollten uns nur bedienen. Da wir auch noch gleich neben einem bereit liegenden Wasserschlauch zu liegen gekommen sind, fragen wir auch gleich, ob wir unseren Tank nachfüllen dürfen – „oui oui, pas de probleme“, heißt es wieder mal.

So easy kann schleusen sein:

Ein trauriges Bild bietet sich uns im Vorbeifahren auch: Hier ist wohl ein Traum gescheitert…

So schaffen wir ganz locker ca. 60km und 7 Schleusen und liegen nun seit etwa 18:30 Uhr am Halte fluvial unterhalb von Noisy-sur-Oise mit schönem Blick auf die erhaben liegende Ortskirche gegenüber und genießen das Abendessen.

Morgen gibt’s dann auch frische Brötchen und ein paar Lebensmittel vom E.Leclerc, der nur 200m entfernt ist. Aber nur, wenn dort alle brav Masken tragen! Und dann auf die Seine und aufwärts bis Bougival, wo es wieder einen, von den Schweizern empfohlenen, Halte fluviale geben wird.