Bon jour, la France

Wir sind da – jedenfalls schon mal in Frankreich.

Doch auch Belgien wurde, je näher wir der Grenze kamen, immer schöner. Auf einmal waren die Brücken nicht mehr rostig, sondern farbig angestrichen, vom Beton nicht überall was abgeplatzt, die Häuser schmuck, mit Liebe gestaltet, und hatten, jedes auf seine Art, einen Stil.

Schon erstaunlich, wie unterschiedlich Regionen sein können, selbst wenn sie zum gleichen „Bundesland“ gehören und nur 50km auseinander liegen.

In Thieu, bei dem großen Aufzug (von dem übrigens auch nur eine Seite funktioniert, während die andere längerfristig außer Betrieb zu sein scheint und deutlich dem Rost anheimfällt, nach nicht mal 20 Jahren) war es zwar deutlich angenehmer als im schrecklichen Charlerois und dessen Umgebung, aber etwas schönes, erfreuliches für’s Auge boten die Dörfer dennoch nicht. Und nun ist alles anders… Wir radeln schon mal auf die französische Seite hinüber, die nur 2km von unserem letzten französischen Liegeplatz entfernt ist, und auch da ist alles schmuck. Fast scheint es so, als strenge sich jede Seite an, schöner zu sein als die andere…

An unserem Liegeplatz, ein freier Halte fluvial an einer Kaimauer am Kanal, bekommen wir dann auch noch eine tolle Vorführung in Gestalt eines Baumkletterers, der eine Problembaumfällung durchführt. Immerhin meist mit einem Seil gesichert, ansonsten aber ohne Handschuhe, Helm, Schnittschutzhose und was sonst noch alles in Deutschland dafür vorgeschrieben ist, wenn man nicht den Schutz der Berufsgenossenschaftsversicherung einbüßen will.

Eigentlich hätten wir dort auch schon gleich nach Frankreich abbiegen können. Es gibt da einen direkten Kanal. Doch leider ist der seit 40 Jahren außer Betrieb. Ein Belgier erklärte uns, warum: Er führt ja von Belgien nach Frankreich. Doch kurz hinter der Grenze fließt ein Bach hinein – der bringt ordentlich Sand mit, der im Kanal ausgebaggert werden müsste. Bach und Sand kommen aber aus Belgien. Deshalb streiten sich Frankreich und Belgien seit 40 Jahren, wer das Baggern bezahlen müsste, und deshalb müssen alle Schiffe seit 40 Jahren 40km Umweg fahren…

Genauer gesagt, es streiten sich Frankreich und die Wallonie. Denn eine richtige belgische Regierung gibt es seit Oktober 2019 nicht mehr, nur eine geschäftsführende. Weil sich Wallonen und Flamen wieder mal nicht einig werden…

So gibt also noch zwei letzte belgische Schleusen, die erste mit 12m Fallhöhe sogar mit Schwimmpollern ausgerüstet. Die Ausfahrttore sind Hubtore, als sie oben ankommen läuft immer noch so viel Wasser heraus uns regnet als Wasservorhang auf uns hernieder, dass uns eine kleiner Fisch auf das Deck fällt!

Nun aber: Bonjour la France. Hier ist das Gras viel grüner. Nein, das ist natürlich Unsinn, aber es fällt doch auf, dass nun Stahldinge wieder angestrichen sind, Brücken Schilder haben, die die Durchfahrt kennzeichnen, kleine Sportbootwartestege vor den Schleusen liegen usw.

Allerdings sind die französischen Berufsschiffe bisher deutlich rücksichtsloser als die Belgier und Holländer… Schon in Belgien war uns eines aufgefallen, welches sich rabiat vordrängelte, viel zu schnell fuhr, und dabei, weil leer, vorn so weit aufragte, dass der Fahrer gar nicht nach vorn schauen konnte… Und das war – genau – ein Franzose. In der ersten französischen Schleuse erleben wir ähnliches mit einem aus zwei zusammengekoppelten Teilen bestehendem älteren Berufsschiff. Das war vorher schon in hoher Geschwindigkeit an uns vorbei gerauscht, als wir an einem seitlichen Kai lagen und frühstückten. Nun, in der Schleuse, in der wir hinter ihm liegen müssen, lässt er seine Schraube kräftig durchlaufen, so dass wir ordentlich kämpfen müssen, unser Boot festzuhalten. Erst nach einer deutlichen Aufforderung des Schleusenwärters lässt er das, nur um in der zweiten Schleuse das Spiel zu wiederholen, wobei der dieses Mal nicht so weit nach vorne durchgefahren ist, so dass wir noch dichter hinter ihm liegen müssen. Das Steuerruder hat er dabei so gelegt, dass der Schraubenstrom genau auf uns zielt. In der dritten Schleuse bitten wir bei der Funkanmeldung den Schleusenwärter gleich darum, den zu bitten, die Schraube abzuschalten. Komisch, dieses Mal fährt er weit nach vorne durch und lässt die Schraube aus. Das ist wohl ein echter Sportboothasser…

Hoffen wir, dass das nicht die französische Regel ist, und freuen uns auf weitere schöne Flusskilometer auf Escaut, Oise und Seine…

Denn hier dürfen die Flüsse wieder aussehen wie Flüsse, endlich ist es vorbei mit den ewigen Betonufern.

Wir haben mit unserem Zielhafen Auxerre telefoniert und einen Platz reserviert. Alles klar soweit. Mit Blick auf die steigenden Corona-Zahlen im Land wollen wir versuchen, innerhalb der nächsten zehn Tage Paris zu erreichen und hinter uns zu lassen – dann sollen neue Regelungen veröffentliche werden, und es ist nicht auszuschließen, dass sie den Hotspot Paris wieder mit einem Shutdown belegen. Es sieht allerdings bisher eher nicht danach aus, aber wir wollen trotzdem möglichst bald hindurch. Schade um das Erlebnis einer gemächlichen Paris-Durchfahrt. Aber wir sind ja dann auf längere Zeit gar nicht so weit weg…