Autobahnraser! 9km/h!!

Nun sind wir einige Tage auf diesem stillen kleinen Kanal unterwegs. Viele Brücken und die gelegentlichen Schleusen haben schöne Wartestege, an denen man auch gerne einen oder mehrere Tage liegen kann.

Die Brücken- und Schleusenwärter sind total freundlich und entspannt. Es müssen sogar zwei Mal Eisenbahnbrücken hochgeklappt werden, die erste unterbricht den Bahnanschluss von Wilhelmshaven. Lustig: Der Mitarbeiter, der die direkt daneben stehende Straßenbrücke klappt, darf nicht die Bahnbrücke klappen, und der, der das darf, nicht die Straßenbrücke. So kommen dan den beiden Stellen jeweils zwei Leute angefahren. An der Wilhelmshavener Strecke wartet man mitunter länger, auf verspätete Züge, und wenn man Pech hat, ist dann auch noch die daran anschließende Zeitlücke zu kurz geworden, so dass man auch noch auf den nächsten, hoffentlich planmäßigen Zug warten muss. Da liegt man dann schon mal eine Dreiviertelstunde herum und wartet gemeinsam mit den Brückenklappern.

Die Straßenbrückenkurbler/innen begleiten uns über jeweils zwei bis drei Klappbrücken mit Fahrrad oder Motorroller, und wenn „ihre Etappe“ zu Ende ist, haben sie schon die nächste Etappe informiert. So muss man vor jeder Brücke oder Schleuse immer nur ein paar Minuten warten. Jedenfalls wenn man sich an die vorgegebene Geschwindigkeitsbegrenzung von 8 km/h hält. Alles andere wäre dementsprechend auch sinnlos. Die Regel gilt, weil bei dem schmalen Kanal sonst die Heckwellen die Uferböschungen zerstören würden.

Das versteht anscheinend nicht jeder… Als wir vor einer Drehbrücke kurz warten, schließen von hinten vier recht unterschiedliche Boote auf. Nach der Durchfahrt, wir fahren exakt nach GPS-Tacho 8,1km/h, setzt doch tatsächlich das erste Boot zum Überholen an!! In dem schmalen Kanal!? Das überholende Boot war zum Glück nicht so groß. Denn zwei Boote nebeneinander nehmen so viel vom Kanalquerschnitt weg, dass sie sich gegenseitig das Wasser erst stauen, dann wegziehen, dann wieder stauen… So dass man ordentlich aus dem Ruder läuft.

Doch was sehe ich in der Rückkamera? Das zweite Boot, viel größer, setzt ebenfalls an. Es zieht an uns vorbei, hinter ihm ca. 50cm Welle, die weit über die Uferbefestigungen hinaus in die Gräser der weichen Sandschüttung schlagen. Ich habe mächtig zu kämpfen, um auf Kurs zubleiben, muss das Lenkrad ähnlich stark hin- und herdrehen wie zuletzt in den Wellen des Jadebusens, schaffe es aber, ohne Ufer oder Boot zu touchieren.

Doch damit nicht genug: Das dritte Boot, noch mal deutlich größer, vor allem auch breit, ein früherer Lastkahn vermutlich, der zur Yacht umgebaut wurde, schiebt sich neben uns, noch während ich in den Wellen des Vorbootes schlingere. Genau neben mir verliert er dann auch noch an Fahrt, wohl, weil die Motorleistung nicht reichte, den Wasserstau vor uns zu überwinden (auch wir fuhren bei gleicher Drehzahl nur noch 7 statt 8 km/h), und bleibt gleichauf neben uns. Dabei näherte sich dann auf seiner Seite auch noch eine Verengung. Er beschimpft uns übel. Ich drücke den Rückwärtsgang ein, um ordentlich abzubremsen, so dass er vor uns ziehen kann. Das bringt uns dann auch noch böse Blicke des vierten Bootes ein, das anscheinend nichts gelernt hat, und überholt auch noch, dabei sind wir nun schon kurz vor der nächsten Brücke, vor der die erste drei Boote nun schon auf die Öffnung wartend liegen.

Nach der Brückendurchfahrt legen wir uns erst mal an den Wartesteg, wir müssen uns beruhigen. Wir rufen später den Brückenwärter noch mal an, der hatte das ja alles beobachtet, als er uns mit dem Fahrrad überholte – er meint, das ging gar nicht, und rät uns, die Wasserschutzpolizei zu informieren, er würde das erlebte gern bestätigen.

Wir fahren schließlich auch weiter, wir wollten ja noch bis zur nächsten Schleuse, Wiesede, um uns dort zur Nacht hinzulegen. Wenigstens mein Ostfriesenbild wir wieder zurecht gerückt, als uns die dortige Schleusenwärterin sagt, dass die Schiffe aus Wilhelmshaven, eines aus Bremerhaven, stammten (die Schleusen notieren die Heimathäfen). Denn wenn ich solche Szenen irgendwo nicht erwartet hätte, dann auf einem kleinen idyllischen Kanal mitten in Ostfriesland. Die Schleusenwärterin erzählt dann noch, dass die vier Boote auch lange gebraucht haben, um sich zu einigen, welche Boote zuerst und wie miteinander in die Schleuse fahren, alle vier passen ja nicht hinein. Nee, nee, wenn ich so rangehe, soll ich doch lieber Motorrad fahren…

Nun liegen wir in völliger Stille an der Schleuse Wiesede, hatten heute eine schöne Radtour nach Wiesmoor und Marcardsmoor – das Torfmuseum war leider coronabedingt immer noch geschlossen. Zum Baden im Kanal sagt der Infoflyer des Kanals „Baden ist verboten, wer es dennoch tut, handelt auf eigene Gefahr…“ Natürlich baden wir jeden Tag. Das Wasser ist so moorig, dass man, kaum ist ein Körperteil ein wenig unter der Wasseroberfläche, ganz braun aussieht. Aber nur weil das Wasser die Farbe hat, man kommt durchaus sauber und jedenfalls erfrischt wieder heraus.

Na dann gute Nacht: