Abenteuer Elbe

Gestern ging es von Hinzdorf bis Hitzacker, 70km stromab, die Strecke E9, die bei Elwis am Vortag mit F/T (Fahrrinnentiefe) von 160cm angegeben war. Über Nacht war der Pegel noch um 10cm gestiegen, was wir auch an den Ufern augenscheinlich verifizieren konnten. Wir hätten also durchgehend mindestens 40cm Wasser unter dem Kiel haben müssen.

So sind wir wieder mit bis zu 16km/h stromab gerauscht, wieder fast allein, bis auf einzelne Paddler, drei Sportboote, das Peilschiff „Domfelsen“, das Fahrgastschiff Elise aus Dömitz und ein Bagger, der die Buhneköpfe am Elbufer mit neuen Steinschüttungen stabilisierte.

Gleich nach der Abfahrt sahen wir noch einmal den Uhrenturm von Wittenberge, ein eher nicht so hübsches Wahrzeichen im Gelände der Singer-Werke, wo bis 1992 Nähmaschinen gebaut wurden.

Der „Domfelsen“ ist ein Peilschiff, das mit ausgebreiteten Armen, pardon, Auslegern, die Elbfahrrinne abfährt und die Lage und Tiefe der Fahrrinne kontrolliert.

Vier Stunden lang genossen wir die Elbe…

…erreichten auch „die Grenze“ mit Kolonnenweg und Wachtürmen, bevor sie beim Amt Neuhaus die Elbe noch einmal für einige Kilometer verlässt (das war die BRD-Enklave am anderen Ufer, die nur mit kleinen Fähren vom Wendland aus erreichbar war)…

Um dann 15km vor dem Ziel von totaler Entspannung zu großer Anspannung umzuschalten. Ja, wir haben genau die Fahrrinne eingehalten. Die Wechselstrecken sind ja nicht immer so eindeutig, aber der erste Schreck kam direkt vor einer Fahrrinnenmarkierung, da konnten wir gar nichts falsch machen. Und doch: Der Tiefenmesser fällt… bei 70cm zurück auf Slow, 60cm, bei 50cm zurück auf Dead slow, um keinen weiteren Absunk zu erzeugen (so nennt man das Eintauchen des Schiffshecks, wenn die Schraube kräftig schiebt und dabei das Wasser unter dem Boot quasi wegzieht), 40cm, 20cm, der Alarm piept, 0cm… Wir gleiten nur noch mit der Strömung weiter… nach ca. 50m war das Flach überwunden, wir atmeten kurz auf. Doch bei drei weiteren Wechseln hatten wir sogar noch richtige Grundberührungen – das Schiff macht einen kleinen Hupfer, beim letzten Flach sind es mehrere, und das Schiff wird deutlich abgebremst, so dass wir wieder etwas Schub geben, in der Hoffnung, irgendwie drüberweg zu rutschen. Bitte nicht wieder auf einer Elbsandbank festhängen… Nun ja, ganz so schlimm wäre es dieses Mal nicht, es sind ja nur kleine Sandbankhügel, keine uferseitigen „Wände“, von denen man nicht mehr wegkäme, und die Elbe ist nach wie vor im Steigflug, also kämen wir am nächsten Tag sicher frei. Trotzdem, wir wollte das nicht noch mal.

Es scheint, dass die Tiefenangaben des WSA nicht immer verlässlich sind. Der Hafenmeister wird uns nachher erklären, dass die Berufsschiffe meistens schon etwas vor den markierten Wechselstellen die Seite wechseln und damit Sediment aufwirbeln, das sich dann unterhalb wieder absetzt – nämlich genau in der eigentlichen Fahrrinne. Trotzdem – 40cm weniger? Wer weiß, was da schief läuft. Gestern und heute wird genau für diese Strecke keine Fahrrinnentiefe mehr bekannt gegeben. Vielleicht hat das was mit den aktuellen Messfahrten der „Domfelsen“ zu tun?

Mit dem Hafenmeister von Hitzacker hatten wir schon telefonischen Kontakt und die Öffnung der Drehbrücke in das Hafenbecken bestellt, jetzt war absehbar, dass wir fast eine Stunde verlieren würden, wenn wir denn nicht ganz stecken bleiben würden. Er kam uns zuvor und rief uns an, um uns zu sagen, dass wir schön langsam machen sollten, ihm sei soeben der Schlüssel für die Brücke ins Wasser gefallen!

Das Zittern hatte ein Ende: die letzten zwei oder drei Kilometer vor der Hafeneinfahrt waren unproblematisch (obwohl man noch mehrmals die Seite wechseln muss, zum Teil sehr steil, so dass man der Strömung zuvor kommen muss…).

Und der Hafenmeister hatte auch noch mal angerufen und berichtet, dass der Schlüssel gerettet sei und er uns auch bereits auf dem AIS sähe, wir sollten nur schön ruhig machen.

Als wir in die Hafeneinfahrt hineindrehen und uns der Drehbrücke nähern, sehr vorsichtig, erst wegen der Strömungswirbel, dann weil die Brückendurchfahrt echt schmal aussieht, springt die Ampel auch schon auf grün, der Hafenmeister winkt uns durch, und wir finden an den schicken und sehr neuen Stegen von Hitzacker einen prima Platz.

Beim Kassieren rettete uns der Hafenmeister den Abend, in dem er versprach, dass die schlimmste Etappe hinter uns liegt, und die Strecke nach Lauenburg keine weiteren Probleme macht.

Den Abend verbringen wir im angeregtem Gespräch mit zwei Leuten, die gerade in Hamburg ein Boot gekauft haben und es nach Berlin nach Hause überführen. Wir werden wohl in Kontakt bleiben – manchmal passt’s halt.

Donnerstag schauen wir uns in dem schönen Städtchen um, kaufen ein, und rudern mit Elodette zum Eis- und Kuchenschiff, das in der Jetzel liegt.

Und wir genießen die Entspanntheit, Freundlichkeit und Zufriedenheit der Leute hier, die wir in Sachsen-Anhalt und z.T. auch in Brandenburg so oft vermisst haben.

Ein Gedanke zu „Abenteuer Elbe

  1. Na, das ist ja wirklich abenteuerlich, was ihr da erlebt! Hoffentlich behält der Hafenmeister Recht mit seiner Prognose! Weiterhin gute Fahrt!

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