Weiter ging es von der freien Liegestelle Parey nach Genthin. Dort gibt es eine für Sportboote ausgestatte Spundwand-Liegestelle mit einem Schild „Nur für Lidl-Kunden“. Einkauf direkt am Ufer – welch eine Gelegenheit. Allerdings haben wir noch eine kleine neugierige Fußrunde gedreht und wenige 100m weiter einen sehr angenehmen Edeka-Supermarkt entdeckt. Da haben wir bei Lidl dann nur noch einen „Anerkennungs-Einkauf“ in Gestalt von Sonnenblumenkernöl getätigt. Das kommt davon, wenn man als Discounter keine Pfandflaschen anderer Läden annimmt…
Da auch Genthin noch in Sachsen-Anhalt liegt, war der offizielle kleine Sportboothafen in Genthin gesperrt. Unser Wassertank hatte zwar, zu unserem eigenen erstaunen, immer noch Inhalt, aber das kann wirklich nur noch ein Mini-Rest gewesen sein. Woher also Wasser nehmen? Wir haben einfach bei der Schiffswerft Genthin gefragt, die uns sofort mit einem dicken Schlauch geholfen haben. Leider war der Schlauch etwas kurz, und so mussten wir das Schiff noch mal umlegen, seitlich in eine Lücke zwischen stählernen Arbeitsboot-Ungetümen, die nur 3m länger war als Elodie. Nun wissen, wir, dass das geht. Immerhin optimale Übungsbedingungen, denn bei den Ungetümen hätten wir keinen Fremdschaden angerichtet, wenn etwas schief gegangen wäre.
Hier lernen wir dann auch wieder etwas über unser Boot: Später am Tage begrüßt mich Maria mit „Lust auf Wasser in der Bilge?“ Oh nein, wir waren doch so froh und stolz, sie endlich sauber und alles so gut wie dicht zu haben… Tatsächlich – da schwappen ein paar cm. Wasser! Nun wissen wir erstens, dass der Wassertank in den letzten zwei Millimetern des Füllstandsanzeigers sich sehr schnell füllt – schneller, als ich bis zum Werftwasserhahn gebraucht hatte, und zweitens, dass die Entlüftung des Tanks respektive Überlauf nicht nach außen, sondern in die Bilge geht…

Und so findet sich Maria wieder mal im Motorraum wieder – sie ist nun mal die einzige von uns beiden, die da so hineinpasst, dass sie mit dem Schwamm unten in die gesamte Bilge hineinkommt…
Wir haben uns dann zur Nacht an die Genthiner freie Liegestelle gelegt, die wir auf der Fußrunde in paar hundert Meter weiter entdeckt hatten. Eine gute Stunde Generatorlauf tat not, um den Batteriehaushalt auszugleichen – dies war das erste Mal, dass wir dabei einen „Nachbarn“ hatten, in Gestalt eines voraus liegenden weiteren Sportbootes, und schon gab es den ersten Konflikt – in nicht ganz freundlich zu nennender Weise gab er Maria zu verstehen, dass der Generator störe, und Marias Erklärungen, dass er zumindest bis zum Ende des Kochens noch laufen müsse, beruhigten ihn erst mal nicht vollends. Tatsächlich hatte er aber wohl befürchtet, dass das Ding die ganze Nacht laufen würde – als ich etwas später noch mal nachfragte, ob denn eigentlich der Lärm oder der Geruch gestört hätten, war er wieder zugänglicher. Am Meisten gestört habe das Plätschern des Auspuffs und auch der Geruch. Na, da kann es nicht so schlimm gewesen sein…
Am nächsten Tag geht es weiter durch die Schleuse Wusterwitz, fast ohne Wartezeit, und dann weitet sich der enge Kanal zu dem großartigen Seenpanorama, zunächst des Wendsees.
Einige Ankerversuche hier und im nachfolgenden Plauer See scheitern – Für Schlamm ist unser Anker nicht ideal… So machen wir erst mal vor der rostigen Fußgängerbrücke am Plauer Schloss fest, an der Kaimauer, und übernachten dort.
Und wähnen uns in einer anderen Welt: War in Sachsen-Anhalt noch alles im Coroana-Schlaf, ist hier in Brandenburg, wo wir nun angekommen sind, alles, als gebe es kein Corona. Die Häfen voll, in den Außenbereichen der Restaurants munteres Treiben. Wir müssen geradezu einen Schalter im Kopf umlegen…

Von Coroan-Vorsicht ist nichts erkennbar – Maitrubel wie alle Jahre wieder, munter beisammenstehende Menschenscharen, die sich schulterklopfend begrüßen… Ich möchte wetten, dass wir in genau zwei Wochen einen kräftigen Anstieg der Infektionen beobachten werden.
Weil wir nun aber doch auch mal wieder in einem Hafen anlegen wollen, mache ich noch eine Fahrradrunde zu den umliegenden Bootshäfen und wir nehmen uns vor, am nächsten Tag zum Gästesteg des Eisenbahnseglervereins Kirchmöser zu wechseln.
Und hier verbringen wir nun erst mal zwei Nächte und entgehen so dem an öffentlichen Liegeplätzen zu erwartenden Himmelfahrtstrubel, der ja hier in den ostdeutschen Ländern dem überdurchschnittlichen Anteil von Abendlandsrettern zum Trotz zum reinen Männertagstrubel geworden ist, an dem wir uns schon in Mühlhausen kaum aus dem Haus trauten.
Der Plan geht auf, und wir liegen am äußersten Steg mit freiem Blick über den Plauer See. Traumhaft! Gegenüber die Plauer Brücke, ringsum die bewaldeten Ufer, und auf dem feiertäglichen See ringsum munteres Treiben mit allem, was schwimmt. Vom Stand-Up-Paddler über schwimmende Kisten, Segleyachten und Motorcharterboote bis hin zu den den See querenden Berufsschiffen – der Elbe-Havel-Kanal verläuft hier mitten durch den See als betonnte Fahrrinne.
Am meisten Spaß machen uns die vielen kleinen Optimistensegler – 6 Kinder im Alter von ca. 10 Jahren nebst motorisiertem Trainer, die stundenlang Manöver üben. Sie sind mit den kleinen Badewannen so sicher wie normale Leute zu Fuß auf dem Teppich… Balancieren auf der Bordwand des um 45° gekoppten Böötchens, springen hin und her, lehnen sich so weit hinaus, dass die Haare bis ins Wasser tauchen, und weichen dem schwenkenden Baum aus wie Gemsen am Berg. Ein bisschen Neid auf so viel Beweglichkeit kommt da schon auf.
Wir beschäftigen uns noch mit der Ankerproblematik – wir wollen ja auch öfter mal über Nacht ankern, schon um die mindestens 20€ je Nacht in den Häfen zu sparen – das geht aber mit dem vorhandenen Anker nicht.

So wiegen wir unseren Anker erst mal nach, mit 12 kg Cola als Gegengewicht und ein bisschen Hebelgesetz-Dreisatz. Er wiegt ca. 28kg. Wir verwerfen als Alternative den 1000€ teuren Jambo-Anker, auch wenn wir seine Qualitäten von Elodie II her schätzen, und bestellen bei Bukh Bremen einen 35kg Plastimo Britany Plattenanker, der nicht schlechter sein dürfte, was das Eingraben im Schlick betrifft.
Dieser Tag geht als richtiger sommerlicher Urlaubstag zu Ende, mit Baden, auf dem Oberdeck in der Sonne liegen, Lesen. Wir nutzen die Waschmaschine des Hafens, um drei Waschgänge unserer angesammelten Kleidung und Handtücher zu waschen und freuen uns nun wieder an nach Lavendel duftender frischer Wäsche.
Unsere Batterien freuen sich, mal wieder durchgeladen zu werden. Und unser Not-Außenborder freut sich auch, mehr noch ich, denn dieses Mal bekomme ich ihn mit wenigen Zügen an, zum ersten Mal. Beim letzten Versuch bin ich noch gescheitert. Der Trick ist wohl, dass der Choke-Zug nicht nur ein Choke-Zug ist, sondern auch eine Vorpumpe – man muss ihn vor dem ersten Start anscheinend nicht nur herausziehen, sondern mehrmals wie eine Pumpe betätigen. Freude, dass der also doch funktioniert – wir hatten schon arg daran gezweifelt.
Als Lektüre für nebenbei haben wir uns den Bericht von Hans-Jürgen Haardt „1100 Tage Freiheit“ heruntergeladen. Wir entdecken überraschend viele Parallelen auch in vielen Details, jedenfalls in der Anfangsphase. Aber keine Sorge, auf das Mittelmeer und später über den Atlantik wollen wir mit Elodie III nicht. Auch wenn wir bei der Lektüre feststellen, dass man mit einem neuen, auf spezifische Bedürfnisse zugeschnittenen Werftbau eher mehr böse Überraschungen erlebt, als mit wir mit unserem 30 Jahre alten Eisenschwein…
Auch kulinarisch lassen wir es uns dank Marias Kochkünsten und -motivation sehr gut gehen und speisen täglich auf dem Niveau gehobener Gastronomie – hier mal Kalbssteak mit Ofenkartoffelspalten, frischem Pfannengemüse und Kräuterdipp.

Ja, nach den vielen spannenden und auch Nerven kostenden Vorgeschichten fühlt sich unsere Reiseidee gerade richtig gut an!
Ich bekomme Hunger. 😉
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Oohh, da waren Martin und ich auch im letzten Jahr. Mit den Kajaks. Das ist soo schön dort. Und kennt ihr in Brandenburg die Trattoria Toto? Direkt an der Havel. Nicht ganz billig, aber irre lecker! Und dann kann man dort ja die berühmten Waldmöpse suchen, hihi!
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